Augsburger Allgemeine (Land West)
Flammen, Rauch und Männerschweiß
Rockkonzert Die Coverband Stahlzeit feuert Rammstein-Songs und Flammenfontänen ab. Welche Rolle Publikum und Security spielten
Gersthofen
Brennende Mikrofone, lodernde Flammenwerfer, ohrenbetäubende Explosionen. Dazu kamen zahlreiche Feuerwehrleute, Security-Kräfte und ein knappes Dutzend Fotografen, die sich rund um den abgesperrten Bühnenbereich drängten – Ausnahmezustand in Gersthofen. Doch in der Stadthalle fand nicht etwa eine Art Bürgerkrieg statt, sondern ein musikalisches Schlachtfeld der etwas anderen Art.
Nicht nur aus ganz Bayern waren die Fans angereist, nur um die Formation Stahlzeit zu sehen, Europas erfolgreichste Coverband der Kultgruppe Rammstein. Und obwohl Hunderte Besucher in schwarzen Lederjacken und Nietenmänteln für manchen unbedarften Spaziergänger wohl mehr als dämonisch wirkten, ging es schon im Vorfeld der Veranstaltung so friedlich und harmonisch zu wie bei kaum einem anderen Event dieser Art. Als schließlich das Licht in der Halle gelöscht wurde und in verräterischer Stille ein Countdown langsam auf Null heruntergezählt wurde, trennte sich im Publikum die Spreu vom Weizen: Während die einen aufgeregt die Zahlen mitschrien, hielten sich die anderen in aller Voraussicht beide Ohren zu.
Und dies nicht ohne Grund: Denn gemäß des hitzigen Rammstein-Hits „Feuer frei!“explodierte sogleich ein gewaltiger Feuerball in der Konzerthalle, der mit tosender Wucht den Beginn des wohl härtesten und heißesten Konzerts des Jahres einläutete. Stahlzeit hat sich ganz den Welterfolgen ihres Vorbilds Rammstein verschrieben und kaum unterscheidbar davon eine musikalische Götterdämmerung auf die Zuschau- er losgelassen, bei welcher knappe drei Stunden lang eine ungestüme Festivalstimmung herrschte. Bei „Asche zu Asche“begannen die E-Gitarren zu rauchen, zur Werwolf-Groteske „Du riechst so gut“wurde die Stadthalle in einen Tanztempel verwandelt, bei „Engel“alle Fäuste in die Lüfte gestreckt und lauthals mitgegrölt.
Freilich wurden die Fans in bester Rammstein-Manier auch mit sämtlichen Kultklischees der Originalband bedient: Nackte ölverschmierte Männerkörper, martialische Stimmbänderschlachten mit dem charakteristischen Rammstein-„R“, brachiale Maschinen- songs, bei welchen die mitreißende Partystimmung weit über den eigentlichen Textinhalten stand. Doch die kernigen Stahlzeit-Jungs wären ihren großen Idolen kaum gerecht geworden, wenn das Konzert nicht mit einem opulenten Feuerspektakel verknüpft gewesen wäre: Während der dröhnenden Songs schossen glühende Raketen über die Bühne, ergossen sich funkelnde Flammenvorhänge über die Musiker oder begannen die Mikrofonständer in beißenden Feuersäulen aufzugehen.
Man konnte kaum hinsehen, als Frontsänger Heli Reissenweber mittels einer Spezialkonstruktion am Kopf während des Gesangs meterlange Feuerfontänen spuckte oder mit einem postapokalyptischen Stahlbogen einen brennenden Pfeilhagel verschoss. Doch genau an solchen Stellen zeigten sich die wahren Profiqualitäten der Band, mussten die Interpreten doch ununterbrochen darauf achten, sich nicht gegenseitig in lodernde Flammenmeere einzuhüllen. Wer genau hinsah, konnte eine regelrechte Choreografie auf der Bühne erkennen, die Sicherheit und Sensation auf imposante Weise miteinander verband.
Großes Lob gebührt diesbezüglich auch dem vorbildlichen Verhalten aller Helfer und Beteiligten: Während die Security mit Adleraugen darüber wachte, dass niemand der Pyrotechnik zu nahe kam, sorgten die Mitarbeiter der Stadthalle für einen reibungsfreien Gesamtablauf und die Fans selbst schließlich für eine ausgelassene und absolut friedfertige Stimmung im Saal. Von zartbesaiteter Natur durfte hier allerdings wirklich niemand sein – und zugegeben: Liebhabern sonorer Kammermusik wäre dieses martialische Armageddon-Feuerwerk sicherlich wie das Tor zu Dantes Höllenschlund vorgekommen. Für zahllose Fans jedoch präsentierte sich aber sicherlich das aufregendste Konzertevent des ganzen Jahres.