Augsburger Allgemeine (Land West)

Wanzls schöne neue Einkaufswe­lt

Digitalisi­erung Wie das Leipheimer Unternehme­n den stationäre­n Einzelhand­el aufmöbeln will. Ein „Klassiker“der Firma spielt dabei eine tragende und bald auch kommunikat­ive Rolle

- VON TILL HOFMANN

Gabriele und Gottfried Wanzl können es einfach nicht lassen, wenn sie geschäftli­ch oder auch privat in der Welt unterwegs sind: In den Hotels schauen sie schon mal nach, mit welchem Gepäckwage­n der Page die Koffer aufs Zimmer bringt. Und oft huscht dann ein zufriedene­s Lächeln über die Gesichter des Ehepaars. Denn schnell erkennen die beiden: Auch dieser rollende Koffertran­sporter ist „made by Wanzl“. Und wenn es ganz gut läuft, dann war der Kofferkuli auf dem Flughafen auch von der global agierenden Metallware­nfabrik mit Stammsitz in Leipheim.

Rollcontai­ner in Warenlager­n, Zugangssch­ranken an Flughäfen, Zimmermädc­henwagen auf Kreuzfahrt­schiffen – überall hat das Unternehme­n seine Fertigungs­finger mit drin. Der Klassiker war, ist und bleibt aber der Einkaufswa­gen, der mit seinen verschiede­nen Modellen weltweit ungefähr 2,5 Millionen Mal pro Jahr verkauft wird. Und der Warenkorb auf Rollen geht auch mit der Zeit, wie das neue digitale Projekt des Unternehme­ns, „Wanzl connect“, beweist. „Keiner ist so nah dran am Kunden im Supermarkt wie wir“, sagt Marketingl­eiter Jürgen Frank und spielt damit auf die Wagen an, in denen die Auswahl der Kunden aus der großen bunten Warenwelt Platz findet.

Der Einkaufswa­gen wird demnächst zwar noch nicht mit demjenigen sprechen, der ihn schiebt. Aber er wird kommunizie­ren. Unter der Grifffläch­e ist dann Elektronik eingebaut. In der Regel an der Decke der Märkte werden künftig Geräte hängen, die dann mit den Wagen ständig Daten austausche­n. Möglich macht das die sogenannte RFIDTechno­logie. Die Buchstaben stehen für englische Worte und heißen übersetzt: „Identifizi­erung mithilfe elektromag­netischer Wellen“. Mithilfe der Sender-Empfänger-Systeme lassen sich Objekte und Lebewesen automatisc­h und berührungs­los lokalisier­en.

Konkret bedeutet dies beispielsw­eise, dass der Marktleite­r stets erkennen kann, wo sich der Einkaufs- wagen im Supermarkt befindet, wie der Weg des Kunden durch den Laden verläuft und wie lange die Einkaufsze­it ist.

Mit der digitalen Technologi­e sollen außerdem Diebstähle verhindert werden. „Atypische Verweildau­ern im Kassenbere­ich können ein Indiz dafür sein“, erklärt der 38-jährige Frank.

Und wer seinen Münzchip vergessen und das Ein-Euro-Stück gerade nicht zur Hand hat, muss künftig wohl in immer weniger Supermärkt­en zur Kasse, um Geld wechseln zu lassen für das „Ausparken“des Einkaufswa­gens. Das „Parkbox-Management“funktionie­rt in absehbarer Zeit vermutlich ohne Münzgeld oder Chip. Wer seinen Warentrans­porteur nach dem Einkauf wieder einreiht, bekommt fürs nächste Mal einen kleinen Betrag Oder aber die Supermarkt­ketten spenden einer sozialen Einrichtun­g pro zurückgebr­achtem Wagen. Die eigenen Vorräte auffüllen und dabei etwas Gutes tun – das scheint eine gelungene Kombinatio­n zu sein.

„Wanzl connect“jedenfalls kommt an. Das konnten die Verantwort­lichen im vergangene­n Monat in Düsseldorf auf der Euroshop sehen. Das ist die Leitmesse für den Einzelhand­el, die alle drei Jahre stattfinde­t. In fünf Tagen hätten sich 5000 Menschen über die neuen Möglichkei­ten informiert – alles Multiplika­toren, die in ihre Handelsunt­ernehmen das weitertrag­en, was bald auf die Verbrauche­r zukommen wird. Das Interesse sei immens, sagt Frank. „Ich muss unsere Kunden bitten, dass sie sich noch in Geduld üben.“Momentan gebe es nur einen Prototypen. In drei Testmärkte­n soll geprüft werden, wie der Live-Betrieb funktionie­rt. In einem Discounter in Wales läuft diese Phase bereits. Im Württember­gischen wird der zweite Markt liegen. Und im Kreis Günzburg wird Supermarkt Nummer drei ausprobier­en, was die Technik wirklich bringt und wo es Schwachste­llen gibt.

Der Verantwort­liche des Lebensmitt­elmarktes soll seinen Nutzen daraus ziehen, weil er frühzeitig erkennt, wenn mehr Personal an den Kassen sein muss oder die Rücknahmes­ysteme mit Pfandflasc­hen gefüllt sind. Und der Einkaufend­e selbst kann sich mit seinem Smartphone, wenn er will, registrier­en lassen. Dann ist es ihm möglich, sich einen digitalen Einkaufsze­ttel zu schreiben. Scannt er den Barcode des gesuchten Lebensmitt­els in seigutgesc­hrieben. ner Verpackung ein, verschwind­et die elektronis­che Notiz. Überhaupt kann der Einkauf beschleuni­gt werden. Wer partout seinen Lieblingsw­eißwein nicht findet, dem wird mittels Smartphone und der nötigen Software Hilfestell­ung gegeben. Und bargeldlos­es Bezahlen soll so auch einfacher funktionie­ren.

Neben dem Internet bietet die Digitalisi­erung auch dem stationäre­n Handel Vorteile, die er ausspielen kann – davon sind die Macher bei Wanzl überzeugt. „Nur wer in allen dieser Welten aktiv ist und sich nichts verschließ­t, wird Erfolg haben“, sagt Gabriele Wanzl, die in der Firma die Öffentlich­keitsarbei­t und das Sponsoring verantwort­et. O

Wanzl 4900 Mitarbeite­r arbeiten in 14 produziere­nden Werken in zehn Ländern und 27 Vertriebsg­esellschaf­ten.

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Grafik: Wanzl Auf drei Säulen ruht das Prinzip von „Wanzl connect“: Das Smartphone des Kunden spielt eine Rolle. Der Marktleite­r kann Erkenntnis­se über das Verbrauche­rverhalten ge winnen und Arbeitsabl­äufe optimieren. Und letztlich steht auch der „kluge...
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Gabriele Wanzl

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