Augsburger Allgemeine (Land West)
Ärzteinitiative erneuert Kritik an AKW
Die Organisation sieht sich jetzt durch ein Gutachten bestätigt
Die Ulmer Gruppe der Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) beziehungsweise die Dachorganisation selbst waren wiederholt mit ihren Warnungen zu den Folgen des Ausfalls der Hauptwärmesenke im Atomkraftwerk (AKW) Gundremmingen bei Behörden, Gutachtern und Betreibern abgeblitzt – auch wegen teils falscher Behauptungen. Nun sehen sich die Gruppe sowie der Physiker Reiner Szepan und der Kernphysiker sowie Europa-Abgeordnete Klaus Buchner (ÖDP) aber durch ein Schriftstück bestätigt.
Es handelt sich um die „Dokumentation zur Klärung der offenen Fragestellungen“zur geplanten und wieder zurückgezogenen Leistungserhöhung im Kraftwerk. Urheber ist die GRS, die Gesellschaft für Anlagenund Reaktorsicherheit, Hauptgutachter diverser Bundesministerien und -behörden. Darin werde vor der bislang bestrittenen Gefahr von Brennelementeschäden durch den Ausfall des Systems gewarnt. Und die Ärzteinitiative bleibt dabei: Der Ausfall der Hauptwärmesenke – dabei handelt es sich um den Turbinenkondensator mit seinem Kühlkreislauf – könne unter gewissen Bedingungen auch zum Super-GAU im Kraftwerk führen.
Pikant findet Henrik Paulitz von IPPNW eine Formulierung. Da ist die Rede von „Fragestellungen, zu denen weiterhin Auffassungsunterschiede zwischen dem Tüv Süd und der GRS bestehen“. Gutachter seien mit dem, was sie in öffentlich zugänglichen Dokumenten schreiben, üblicherweise vorsichtig. Daher sei es ungewöhnlich, dass hier so klar formuliert und das Wort „Auffassungsunterschiede“verwendet werde. So hält die GRS weitergehende Untersuchungen für nötig. Und es sei unter ungünstigen Rahmenbedingungen bei einer Turbinenschnellabschaltung ohne Frischdampf-Umleitstation nicht auszuschließen, „dass erhöhte Hüllrohrtemperaturen auftreten könnten und die Weiterverwendbarkeit des Kerns infrage gestellt wäre“. Dass das Dokument aus dem November 2013 stammt und der Antrag auf Leistungserhöhung von den Betreibern einen Monat später zurückgezogen wurde, bringt IPPNW in Zusammenhang – auch wenn die Entscheidung offiziell mit der Haltung der Staatsregierung begründet wurde. Die hatte eine Genehmigung in Zeiten der Energiewende für ein falsches Signal gehalten.
IPPNW liefert auch eine „Liste der bislang offiziell gemeldeten bzw. bestätigten Ausfälle der Hauptwärmesenke im Atomkraftwerk“. Insgesamt 18 Fälle finden sich dort. Allerdings weist Kraftwerkssprecher Tobias Schmidt auf ein wichtiges Detail hin: In der Tabelle sind die Vorfälle mit Ausfall des Systems aufgeführt. Das bedeute, dass die Abschaltung nicht das eigentliche Ereignis war, sondern normale Folge einer anderen Störung.