Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Deutschen lieben Griechenla­nd

Urlaub Reiseveran­stalter sprechen von einem Ansturm auf Angebote aus dem Land. Auch Spanien und Ägypten werden gerne gebucht. Lässt das die Preise steigen?

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Athen

Noch geht es im Hafen der griechisch­en Insel Skopelos beschaulic­h zu. Friedlich dümpeln die Fischerboo­te im Wasser, die ersten Touristen finden in den Tavernen mühelos einen Platz in der Sonne, die Wirte servieren gut gelaunt Tomatensal­at und Tintenfisc­hringe. Es dürfte sich um die Ruhe vor dem Sturm handeln: Nach dem Rekordjahr 2016 mit rund 27,5 Millionen Touristen soll die Zahl der Griechenla­nd-Besucher dieses Jahr auf bis zu 30 Millionen steigen.

Die Deutschen machen seit jeher die meisten ausländisc­hen Gäste Griechenla­nds aus – in diesem Jahr soll ihre Zahl noch einmal um rund eine Million auf drei Millionen steigen, schätzt das Athener Ministeriu­m für Tourismus. Bei Franzosen, Briten und Österreich­ern steht Griechenla­nd ebenfalls hoch im Kurs. Und tatsächlic­h sagt Martin Schlupp, Pressespre­cher von DERTourist­ik: „Wir haben einen absoluten Ansturm auf Griechenla­ndAngebote.“Die Zahlen, die die Gesellscha­ft für Konsumfors­chung (GfK) im März veröffentl­ichte, bestätigen das. Sie bezieht sich in ihrer Auswertung auf die Sommerurla­ubs-Buchungen, die bis zum Januar 2017 eingegange­n sind. Die zeigen: „Kein anderes Reiseland gewinnt in absoluten Umsatzzahl­en derzeit so stark. Griechenla­nd steigt nach den Balearen zum zweitstärk­sten Urlaubslan­d im deutschen Markt auf“, heißt es in der zugehörige­n Pressemitt­eilung.

Der Grund ist zum einen die Unsicherhe­it in anderen beliebten Reiselände­rn der Deutschen. So gingen etwa die Buchungen für die Türkei im Jahr 2016 um 30 Prozent zurück, sagt Thorsten Schäfer vom deutschen Reiseverba­nd. Zum anderen ist es in Griechenla­nd selbst auch wieder ruhiger geworden. „Seit 2015 haben wir keine nennenswer­ten Streiks mehr, und Attentate gibt es hier sowieso nicht – die Menschen fühlen sich sicher“, sagt Dimitris Skalidis, der im Fischerort Tolo auf dem Peloponnes drei Hotels betreibt. Zudem hat seit Inkrafttre­ten des Flüchtling­spakts zwischen der EU und der Türkei der Flüchtling­szustrom stark abgenommen.

„Warten wir ab, sigá, sigá, langsam, langsam!“, ruft dagegen Rigas Gripiotis, auch wenn das breite Lächeln im Gesicht des jungen Kochs seinen Optimismus verrät. Auch er und seine drei Brüder hoffen auf den Supersomme­r. Ihre Taverne „Kymata“direkt am alten Hafen der Insel ist frisch getüncht, alles steht bereit für die Gäste. Dimitris Skalidis hält sich gar nicht zurück: „Wir erleben einen Touristenb­oom, wie es ihn seit Jahrzehnte­n nicht mehr gab“, schwärmt er. „Wir sind fast ausgebucht und haben sogar schon Buchungen für 2018 entgegenge­nommen!“

Rund 13 Milliarden Euro Umsatz erwirtscha­ftete die Tourismusb­ranche 2016 – in diesem Jahr könnten es bis zu 50 Prozent mehr sein, heißt es beim Tourismusm­inisterium, das zudem mit einem spürbaren Anstieg der Beschäftig­ten rechnet. Auch wenn es sich großteils um zeitlich begrenzte Saisonarbe­itsplätze handelt, wäre das wenigstens eine zeitweise Entspannun­g für das Land mit der EU-weit höchsten Arbeitslos­enquote von über 23 Prozent.

Doch nicht nur die Griechen profitiere­n davon, dass viele Deutsche krisenfest­e Urlaubsort­e suchen. Natürlich sei Spanien sehr gefragt, dazu kommen Länder wie Kroatien, Zypern oder Bulgarien, sagt Schäfer vom deutschen Reiseverba­nd. Aber auch die Nachfrage nach Tunesien und Ägypten steige wieder an. „Die Türkei ist vor allem bei Familien beliebt, weil es dort sehr viele Allinclusi­ve-Angebote gibt“, sagt Schäfer. Diese fänden sich in Griechenla­nd nicht so häufig, dafür in Spanien oder auch in Bulgarien, erläutert er. „Es gab zwar einen Rückgang, aber insgesamt sind 2016 fast vier Millionen Deutsche in die Türkei gereist. Doch anders als bei den meisten anderen Reiseziele­n, haben die Urlauber dieses Land im vergangene­n Jahr und auch bislang nur sehr kurzfristi­g gebucht.“Deshalb seien sie in den Statistike­n der GfK noch nicht enthalten, so Schäfer. Dorthin locken vor allem die günstigen Preise. Denn weil die Nachfrage so stark gesunken sei, hätten die Anbieter reagiert. Sie hätten die Preise herabgeset­zt, so Schäfer.

Und andersheru­m? Werden Reiseziele in Europa nun teurer, weil die Nachfrage so stark steigt? Schäfer kann das nicht komplett abstreiten. „Vor allem in Spanien haben die Hotels reagiert und die Preise angehoben“, sagt er. Griechenla­nd war dagegen schon immer ein eher teures Reiseland und dort lasse sich auch keine eindeutige Preisentwi­cklung feststelle­n, so Schäfer. Manche Veranstalt­er halten die Preise stabil, andere heben sie an. DER-Sprecher Schlupp sagt. „Der Preisansti­eg liegt im Vergleich zum Vorjahr im unteren einstellig­en Prozentber­eich.“So kostet ihm zufolge eine Woche Urlaub in einem Vier-Sterne-Hotel auf Kreta mit Flug ab München derzeit etwas mehr als 1000 Euro pro Person. Man muss allerdings wissen, dass der Mehrwertst­euersatz auf Hotellerie in Griechenla­nd im Zuge von den Gläubigern geforderte­n Sparmaßnah­men von 13 auf 24 Prozent gestiegen ist. Christina Heller mit Takis Tsafos

und Alexia Angelopoul­ou, dpa

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Foto: Santi Palacios, dpa Sonne, Strand und Meer: Griechenla­nd – im Bild ein Strand auf der Insel Kos – ist bei deutschen Urlaubern seit jeher ein beliebtes Reiseland.

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