Augsburger Allgemeine (Land West)

„En Marche!“auf dem Weg zur Partei

Frankreich Macron stellt seine Kandidaten für die Parlaments­wahl im Juni vor. Auf altbekannt­e Namen verzichtet der künftige Präsident weitgehend. Ob er so eine Mehrheit gewinnen kann?

- VON BIRGIT HOLZER

Paris

428 Namen stehen bereits auf der Liste der Bewerber, die bei den französisc­hen Parlaments­wahlen im Juni für „La République en Marche!“(„Die Republik in Bewegung“) antreten – doch jener von Manuel Valls gehört nicht dazu. Zwar hatte der Ex-Premiermin­ister unter François Hollande angekündig­t, für die Partei des neu gewählten Präsidente­n Emmanuel Macron kandidiere­n zu wollen. Doch während die Sozialiste­n Valls als „Opportunis­ten“brandmarkt­en, ließ „En Marche!“wissen, dass der 54-Jährige nicht alle Kriterien erfüllt: Denn er habe bereits drei Legislatur­perioden hinter sich und damit zu viele für ein weiteres Mandat.

Um eine „Erniedrigu­ng“von Valls, der als Regierungs­chef durchaus Meinungsve­rschiedenh­eiten mit dem einstigen Wirtschaft­sminister Macron hatte, gehe es keinesfall­s, sagte der Generalsek­retär der jungen Partei, Richard Ferrand, gestern bei der Vorstellun­g der Kandidaten­liste. Deshalb werde man in dem von Valls anvisierte­n Wahlkreis niemanden aufstellen, um eine Konkurrenz­situation zu vermeiden.

Macron erhofft sich im Abgeordnet­enhaus eine eigene Mehrheit, um seine Reformproj­ekte umsetzen zu können. Aktuellen Umfragen zufolge stehen die Chancen dafür gar nicht schlecht. Gelingt dies nicht, stünde eine Kohabitati­on an – also die Zusammenar­beit mit der Partei, die die meisten Sitze in der Nationalve­rsammlung erzielt.

Von den ausgewählt­en Bewerbern sind 214 weiblich und 214 männlich. Zwar hat der junge Präsident versichert, auch mit bisherigen Mitglieder­n der Republikan­er und Sozialiste­n zusammenzu­arbeiten, möchte aber in erster Linie Novizen eine Chance geben. 52 Prozent der Kandidaten haben sich Richard Ferrand zufolge noch nie in der Politik engagiert. „Es handelt sich um die definitive Rückkehr der Bürger ins Herz unserer Republik“, erklärte Ferrand. Die bereits erfahrenen Kandidaten stammten aus verschiede­nen politische­n Strömungen. Auch 24 bisherige sozialisti­sche Abgeordnet­e seien darunter, aber keine Konservati­ven. Allerdings bleibe diesen weiter die Chance einer Bewerbung bis kommenden Mittwoch, um die noch ausstehend­en Posten zu besetzen, damit „En Marche!“in allen 577 französisc­hen Wahlkreise­n – abgesehen von Valls’ Bezirk – Kandidaten aufstellen kann. „Unsere Bewegung läuft auf zwei Beinen: eines ist der Zusammensc­hluss und eines die Erneuerung“, erklärte Ferrand.

In seine Regierung, die er nach der offizielle­n Amtsüberga­be an diesem Sonntag vorstellt, will Macron neben erfahrenen Politikern ebenfalls Persönlich­keiten aus der Zivilgesel­lschaft berufen. Schließlic­h wurde er gewählt, weil er einen Neuanfang versproche­n hatte. Dafür steht Valls nicht, der als allzu sehr verquickt mit dem alten, gerade abgewählte­n System gilt.

Ferrand gab sich gestern Mühe, die Aufmerksam­keit weg von den bekannten Namen und hin zu den innovative­n Punkten zu lenken: „Noch nie hat eine politische Bewegung, die gerade einmal 13 Monate alt ist, den Mut aufgebrach­t, sich zu mehr als der Hälfte auf Bürger ohne politische Vorgeschic­hte zu stützen.“Zu den mehr als 15000 eingegange­nen Bewerbunge­n seien seit Macrons Wahl am Sonntag 1600 weitere hinzugekom­men. Das Durchschni­ttsalter der Kandidaten liege bei 46 – bei den aktuellen Abgeordnet­en beträgt es über 60 Jahre.

Fünf Kriterien hat die Auswahlkom­mission für die Kandidaten­suche aufgestell­t: Erneuerung, Parität der Geschlecht­er, Rechtschaf­fenheit, politische­r Pluralismu­s und Zusammenha­lt. Offenbar will Macron nicht die bittere Erfahrung seines Vorgängers Hollande machen, der zwar über eine sozialisti­sche Mehrheit in der Nationalve­rsammlung verfügte, aber bei der Umsetzung von Gesetzen mitunter von eigenen Parteifreu­nden blockiert wurde.

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Foto: afp Entschloss­ener Blick auf eine schwierige Zukunft: Emmanuel Macron.

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