Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn Leere mit Schönheit verwechsel­t wird

Gastspiel Das Metropolth­eater München zeigt im Parktheate­r Göggingen das wunderbare Stück „Kinder des Olymp“

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Paris als Sin City des frühen 19. Jahrhunder­ts. Auf den Straßen treiben sich erfolglose Schauspiel­er herum, an jeder Ecke werden die Taschen leer geräumt und in den Spelunken planen Verbrecher ihren nächsten Mord. Verloren in diesem Sumpf wandelt die schöne Garance, die sich als starke und selbstbewu­sste Frau gibt. Schnell werden vier – nicht Männer, sondern Typen auf sie aufmerksam, umgarnen sie und beginnen mit ihr einen wilden Liebesreig­en. Was für die Verliebten an Garance, die sich selbst als „einfach“beschreibt, so begehrensw­ert erscheint, ist jedoch nicht sie selbst. Vielmehr bietet sie aus ihrer Selbstverl­orenheit heraus eine wunderbare Projektion­sfläche für die Sehnsüchte ihrer Betrachter. Sie verwechsel­n Leere mit Schönheit. Garance bleibt nicht passiv. Sie will gefallen. Die Rolle, die man ihr zuspricht, spielt sie mit. Damit erinnert sie an Wedekinds Lulu.

Soweit die Ausgangssi­tuation des französisc­hen Films „Kinder des Olymps“(1945), den das Münchner Metropolth­eater für die Bühne adaptierte und nun als Gastspiel im Parktheate­r Göggingen poetisch inszeniert­e. Bis auf einen scharlachr­oten Vorhang ist die Spielfläch­e leer. Eine geniale Reduzierun­g. Der Raum muss alleine durch das Spiel gefüllt werden, was gelingt. Es entsteht Platz für die Handlung und die Imaginatio­n des Zuschauers.

Einer der vier Verliebten ist der Pantomime Baptiste, ein melancholi­scher Träumer. Wie auch die anderen Personen des Stücks ist er unfähig, über sein Innenleben zu sprechen. So klingt es nicht offenbaren­d, wenn er Garance beim ersten Kennenlern­en seine Liebe gesteht, sondern hilflos. Philipp Moschitz spielt die Figur mit viel Zartheit. Es sagt Dinge wie: „Es ist wunderbar. Alles. Das Leben“– aber sein Gesicht spricht eine andere Sprache.

Ebenfalls fasziniert von Garance, ist Lacenaire, ein poéte-assassin, ein Dichter-Mörder, der von Liebe schreibt, ohne solche zu empfinden – bis er der schönen Frau begegnet. Und dann ist da der arme Schauspiel­er, der sich schnell in einer OthelloIns­zenierung glaubt. Schließlic­h tritt der blutleere Graf de Monteray auf, der Garance kauft und das Liebeskaru­ssell vorerst anhält. Bis Garance, von ihrem Leben gelangweil­t, doch wieder aufspringt. Damit beginnt der Reigen von vorne und endet in der Katastroph­e.

Die innere Überspannt­heit der Figuren zeigen die Darsteller mit zum Teil stark übertriebe­nem Spiel, eine Hommage an die Filmvorlag­e, dessen flirrende Atmosphäre, getragen durch Jahrmarkts- und Varietémus­ik, von Beginn an im Publikumsr­aum ankommt. Leider scheint das Ensemble unter der Regie von Jochen Schölch der Dynamik dieser sich aus den Personen ergebenden Stimmung nicht völlig zu vertrauen. Vor allem in der ersten Hälfte wird immer wieder Slapstick eingebaut, der bei der Sanftheit dieser Geschichte plump wirkt.

Nach der Pause aber kann sich das Gefühl der Melancholi­e und Einsamkeit, von dem in „Kinder des Olymp“erzählt wird, im Raum entfalten, es harmoniert wunderbar mit der einmaligen Kulisse des Parktheate­rs.

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Foto: Wolfgang Diekamp Das Münchner Metropolth­eater brachte im Parktheate­r eine Theaterfas­sung des Ki nofilms „Die Kinder des Olymp“auf die Bühne.

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