Augsburger Allgemeine (Land West)
Seniorin erhält nach Brand viel Hilfe
Unglück 76-Jährige kann nach vier Monaten Renovierung in ihr Haus in Aindling zurückkehren, vor allem weil viele Menschen aus der Region gespendet haben. Kartei der Not zahlte die Dusche. Sogar neue Freundschaften sind entstanden
Aindling
Der Vorhang in der Küche mit den roten Blümchen ist ein paar Zentimeter zu kurz für die Fenster. Die Wände warten auf Bilder und hier und da steht ein Gegenstand, der seinen richtigen Platz offenbar erst noch finden muss. Ansonsten ist dem kleinen Haus von Gertrud Janter kaum anzumerken, dass es hier kurz vor Weihnachten gebrannt hat. Das Feuer in der Küche verrußte alle Zimmer; alle Möbel mussten weggeworfen werden. Die 76-Jährige stand vor dem Nichts.
Vier Monate später ist die Seniorin in ihr Haus aus dem Jahr 1934 in Aindling zurückgekehrt. In der Küche sorgt ein Holzofen für mächtig Wärme und im Wohnzimmer laden ein kleines Sofa und ein Fernsehsessel zum Entspannen ein. Gertrud Janter fühlt sich „wahnsinnig wohl“in ihrem neuen alten Zuhause. Viele Menschen in der Region haben dazu beigetragen, die 60 Quadratmeter Wohnfläche neu einzurichten. Janters Tochter Ulrike hatte über unsere Zeitung nach Menschen gesucht, die Einrichtungsgegenstände zum Verschenken hatten. Von den Reaktionen war sie überwältigt: Sie bekam über 100 Mails, in denen ihr Betten, Sofas, Schränke, Geschirr und vieles mehr angeboten wurden. Andere Schreiber wollten beim Transport der Möbel helfen. Auch das Augsburger Lokalfernsehen a.tv berichtete über das Schicksal der Aindlingerin, die zwar eine Brandschutzversicherung, aber keine Hausratversicherung hatte. Letztere hätte sie aber für die Einrichtung der Wohnung gebraucht.
Bei vielen Gesprächen und Besuchen suchte die Tochter alles zusammen, was die Mutter brauchen konnte. Viermal fuhr die 76-Jährige mit und lernte die hilfsbereiten Menschen kennen. Mittlerweile sind daraus Freundschaften entstanden. Eines der Lieblingsstücke von Gertrud Janter ist der dreitürige Küchenschrank mit Vitrine, den eine Familie aus Dasing vorbeigebracht und aufgestellt hat. Selbst das Kaffee- und Essgeschirr wurde mitgeliefert. „Der Schrank ist etwas altertümlich, wie ich, und er bietet viel Platz“, schwärmt die Hausbesitzerin. Auch auf ihren neuen grünen Fernsehsessel aus Schmiechen mit elektrischer Bedienung ist sie stolz. Das Bett im Schlafzimmer hat eine Familie aus dem Affinger Ortsteil Gebenhofen gespendet. Auch die Kartei der Not, das Leserhilfswerk unserer Zeitung, hat die Rentnerin mit einer Soforthilfe über 1000 Euro unterstützt. Mit dem Geld wurde im Schlafzimmer eine Komplettdusche eingebaut. Von der Marktgemeinde Aindling kamen laut Ulrike Janter ebenfalls 1000 Euro. Sie flossen in die Küche.
Viele der Möbel haben eine bewegte Geschichte hinter sich wie etwa Stehlampe, Teppich und Vorhänge aus Friedberg. Die ehemalige Besitzerin dieser Dinge war gestorben und deren Tochter schob die Räumung der Wohnung schon lange vor sich her. Als sie aber von der Notlage der Aindlingerin las, fasste sie sich ein Herz und begann mit dem Aussortieren.
Bevor sich die Seniorin nach dem Brand erstmals wieder in ihr Heim traute, hatte ihr ihre Tochter nur Bilder gezeigt, auf denen die Fortschritte der Renovierung und später auch erste Einrichtungsgegenstände zu sehen waren. So verschwanden die „Schockbilder“der verrußten Zimmer nach und nach aus dem Kopf der Mutter. Einige Andenken wie den Hausgeist, eine Wurzelfigur ihrer Schwiegermutter aus Estland, hat Tochter Ulrike aus dem Schutt gerettet. Auch einige wenige Fotos. Derartige private Erinnerungen sind es, die die 76-Jährige am meisten vermisst. Vor allem die selbst gemalten Bilder der Kinder und Enkel und die vielen, einmal gelesenen Bücher, fehlen ihr. Aber sie habe sich damit abgefunden, sagt sie.
Elementare Dinge fehlten ihr nicht mehr, betont sie, auch wenn auf dem Wunschzettel noch ein Staubsauger sowie Außen- und Innenthermometer stehen. Und neue Fensterscheiben, weil die alten – möglicherweise durch die Wucht des Hochdruckreinigers – gesprungen sind. Zudem werden noch Unterhemden aus Leinen oder Seide in Größe 52 gesucht. Aus gesundheitlichen Gründen sollte die Seniorin künftig nur dieses Material auf der Haut tragen.
Allen Helfern, aber auch ihren drei Kindern – allen voran Tochter Ulrike –, ist die Rentnerin unglaublich dankbar für alles, was sie für sie getan haben.
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