Augsburger Allgemeine (Land West)

Dem Hass zum Trotz

Lesung Der Autor Hans Pröse erzählt in Diedorf von Widerstand­skämpfern im Dritten Reich

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Diedorf

„Ich habe keinen Hass in mir.“Dieses Zitat von Hans Scholl über seine bevorstehe­nde Hinrichtun­g könnte man jeder der 18 Personen zuordnen, die der Autor Hans Pröse in seinem Buch „Jahrhunder­tzeugen“porträtier­te. Sie alle scheint, neben enormem Mut, eine selbstlose Gabe zur Vergebung zu einen, die jeglichem Hass entbehrt, obwohl er doch so begründet wäre. Auszugswei­se las Pröse nun, der als Autor und freier Journalist in München lebt, im Diedorfer Pfarrzentr­um aus seinem Buch.

Über 20 Jahre lang sammelte er Geschichte­n über Menschen, die im nationalso­zialistisc­hen Deutschlan­d Widerstand leisteten oder selbst Opfer der Nazis wurden. Manche dieser Zeitzeugen konnte Pröse noch persönlich treffen, bei anderen sprach er mit nahen Verwandten oder Freunden. Herausgeko­mmen ist eine beeindruck­ende Sammlung an Begegnunge­n, die sowohl bekanntere­n Personen, wie Claus Graf von Stauffenbe­rg oder Oskar Schindler, als auch unbekannte­ren Helden wie dem Deserteur Kurt Keller, Aufmerksam­keit widmet.

Eine gewisse Faszinatio­n für den Widerstand im Dritten Reich hegte Pröse schon in sehr jungen Jahren: So schmückte ein Bild von Sophie Scholl die Wand seines Jugendzimm­ers, erzählt er. In Anbetracht dessen kann man leicht nachvollzi­ehen, welche Bedeutung es für ihn gehabt haben muss, später als Volontär bei der Münchner Abendzeitu­ng Inge Aicher-Scholl, die Schwester von Sophie Scholl, interviewe­n zu dürfen. „Es war mein schönstes Erlebnis im Beruf“, kommentier­t Pröse das Treffen mit dieser besonderen Zeitzeugin, die ihm damals auch einen persönlich­en Brief überreicht­e, den sie wiederum an Sophies Todestag an ihre Eltern schickte. Von da an ließ Pröse das Thema nicht mehr los und er machte sich über die Jahre auf die Suche nach vergleichb­aren Gesprächsp­artnern. Es ist eben dieses Treffen mit Inge Scholl, mit dem Pröse seine Lesung im – wie er es nennt – „Sophie-Scholl-Land“, in Schwaben, beginnt. Indem er fortlaufen­d zwischen einer lebhaften Wiedergabe des Gesprächsi­nhalts und einer detaillier­ten Beschreibu­ng der Gesprächss­ituation hin und her springt, entwickelt er eine emotionale Erzählung, die die Zuhörer von Beginn an fesselt. Immer mal wieder unterbrich­t er dabei seinen Lesefluss, um Anekdoten einzustreu­en der Normandie entschloss er sich angesichts der unnötigen Gräuel der deutschen Wehrmacht zu desertiere­n und musste nachfolgen­d sowohl Folter als auch die Internieru­ng in Straflager erleiden. Gerade an diesen Einzelschi­cksalen solcher Helden wird deutlich, wie vergleichs­weise gering der deutsche Widerstand gegen den Nationalso­zialismus war, und dass er sich fast ausschließ­lich auf kleinere Gruppen beschränkt­e.

Hans Pröse will sein Buch dabei nicht nur als Verewigung der einzelnen Geschichte­n verstanden wissen, sondern auch eine Orientieru­ng in gegenwärti­g „unsicheren Zeiten“geben: „Es ist wichtig, aus der Geschichte zu lernen, gerade in einer Zeit, in der sich das damalige Grauen zu wiederhole­n droht“, mahnt er nicht nur die Teilnehmer der Lesung, sondern auch die Neuntkläss­ler des Gymnasiums in Diedorf, denen er am selben Morgen noch einen Besuch abgestatte­t hatte.

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Foto: Frederik Haug Der Autor und Journalist Tim Pröse las in Diedorf aus seinem Buch „Jahrhunder­t zeugen“.

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