Augsburger Allgemeine (Land West)
Caterer soll eine halbe Million Euro veruntreut haben
Justiz Günzburger Unternehmer muss sich wegen Sozialversicherungsbetrugs vor dem Landgericht Augsburg verantworten
Es ist ein Mammutprozess, der aktuell am Augsburger Landgericht geführt wird: Ein Unternehmer aus Günzburg soll im Zeitraum von Januar 2007 bis Juli 2008 in insgesamt 338 Fällen Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt und so einen Schaden von mehr als einer halben Million Euro verursacht haben. Seit 2. Mai läuft die Verhandlung unter Vorsitz von Richter Christian Engelsberger, bis in den Juni hinein werden zahlreiche Zeugen gehört.
Es scheint Betrug im großen Stil gewesen zu sein, den der Mann mit seiner Cateringfirma betrieben hat. Um die Beiträge nicht zahlen zu müssen, war der Angeklagte offenbar äußerst trickreich. Die Staatsanwaltschaft Augsburg listet vier Methoden auf, mit denen er die wahren Beschäftigungsverhältnisse zahlreicher Mitarbeiter verschleiert hat.
So wurden etwa Ehepartner oder nahe Verwandte der Angestellten auf geringfügiger Basis angestellt, obwohl sie gar nicht für das Unternehmen arbeiteten. Über sie wurden dann Teile des Lohns des eigentlichen Angestellten abgerechnet. Mitarbeiter, die auf Stundenlohnbasis beschäftigt waren, wurden zum Beispiel bis zur 400-Euro-Grenze bezahlt, alles darüber hinaus ging an den sogenannten Splittingpartner. Auch in Vollzeit Angestellte fielen in dieses Modell. Ihre Löhne wurden zum Teil auf mehrere geringfügige Beschäftigungen aufgeteilt. In anderen Fällen arbeiteten geringfügig Angestellte mehr Stunden, als eigentlich erlaubt. Diese Mehrarbeit wurde dann entweder in bar bezahlt oder auf Monate gelegt, in denen wegen Urlaub oder Krankheit weniger Stunden anfielen. Andere Arbeitnehmer wurden gar nicht erst zur Sozialversicherung angemeldet. Wiederum andere erhielten ihren Lohn teilweise über eine geringfügige Beschäftigung bei einer zweiten Firma, deren Geschäftsführer ebenfalls der Angeklagte war. In Wirklichkeit waren sie aber sozialversicherungspflichtig bei der ersten Firma angestellt. Dieses System hielt der Angeklagte nicht allein am Laufen. Mitangeklagt waren noch seine Ehefrau sowie ein weiteres Mitglied der Geschäftsführung. Die Frau soll als Geschäftsführerin in alle Vorgänge
Günzburg
eingeweiht gewesen sein. Sie wurde bereits zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Der dritte Angeklagte soll zwischen Dezember 2007 und Juli 2009 in insgesamt 227 Fällen an der Veruntreuung beteiligt gewesen sein. Das Verfahren gegen ihn wurde Geldauflage eingestellt. Alles läuft auf den jetzt vor Gericht stehenden Unternehmenschef als Haupttäter hinaus.
Dass das Verfahren gegen ihn jetzt erst eröffnet wurde, hat einen Grund. Die zuständigen Strafkammern am Landgericht Augsburg waren bisher schlicht überlastet. Obwohl die Staatsanwaltschaft bereits im März 2011 Anklage erhoben hatte, hatten andere Verfahren aus dem Bereich Wirtschaftskriminalität Vorrang vor dem aufwendigen Prozess rund um den Caterer.
Sein Unternehmen ist bis heute im Raum Günzburg tätig. Auf der in modernem Design gehaltenen Internetseite werden „langjährige Erfahrung“und ein „dienstleistungsorientiertes und kreatives Team“angepriesen. Besonders in der Zeit vor dem angeklagten Betrug hatte sich das Unternehmen in der Region einen Namen gemacht als Veranstalter von und Bewirter bei Großereignissen sowie als Belieferer zahlreicher Betriebskantinen.
Von den Vorwürfen gegen ihn will der Firmengründer nichts wissen. Als er zum Prozessauftakt aussagt, bestreitet er jede Beteiligung an dem Sozialversicherungsbetrug. Seine bereits verurteilte Ehefrau schweigt. Aufschluss sollen jetzt Zeugenaussagen aus dem Umfeld der Firma und der Familie des Angeklagten geben.