Augsburger Allgemeine (Land West)

Autor fordert den „Pflege Aufstand“

Soziales Der ehemalige Polizist Armin Rieger prangert seit Jahren die Zustände in Heimen an. Jetzt hat er ein Buch über seine Erfahrunge­n, seine Kritik und seine Lösungen geschriebe­n

- VON MIRIAM ZISSLER

Seit fast 20 Jahren wird Armin Rieger immer mal wieder mit einem Vorwurf konfrontie­rt. Als „Nestbeschm­utzer“wird er dann bezeichnet, als einer, der die Pflege in Deutschlan­d im schlechten Licht erscheinen lässt. Nun hat er seinen Kritikern neue Nahrung gegeben. Im April ist sein Buch „Der PflegeAufs­tand – Ein Heimleiter entlarvt unser krankes System“erschienen.

Darin beschreibt der 59-jährige Augsburger, wie es dazu kam, dass er, der ehemalige Polizeibea­mte und Immobilien­makler, das Pflegeheim „Haus Marie“in der Jakobervor­stadt übernahm und was er seither erlebte. „Viel“ist die Feststellu­ng, wer sein Buch liest. Etwa, wie er sein Haus umkrempelt­e, einen Koch einstellte, mehr Personal beschäftig­te, als es der Personalsc­hlüssel für sein Haus vorsehen würde. Würdige Altenpfleg­e ist machbar, ist seine These: „Doch dann muss man als Betreiber auf Gewinne verzichten. Man muss eigenes Hauswirtsc­haftsund Reinigungs­personal und einen Koch einstellen und die Arbeiten nicht etwa den Pflegekräf­ten zusätzlich aufbürden“, sagt er. Dass das Pflegepers­onal oft fachfremde Leistungen übernehmen müsse, sei aber in vielen Einrichtun­gen an der Tagesordnu­ng. Daneben komme in vielen Heimen die nächtliche Betreuung zu kurz.

„Wenn ein Heim mit 80 Betten eine Pflegekraf­t zur Nachtschic­ht einteilt, dann kann das nicht funktionie­ren“, sagt Rieger. Im Haus Marie sind für die 33 Bewohner nachts zwei Pflegekräf­te zuständig. Rieger: „Mein Geschäftsp­artner und ich haben uns entschiede­n, mehr Pflegepers­onal einzustell­en als vorgeschri­eben.“

Somit sei nicht nur der Nachtwache­nschlüssel im Haus Marie „deutschlan­dweit einmalig“, auch beim Pflege-TÜV legte der Heimleiter eine einmalige Verhaltens­weise an die Tagesordnu­ng: Zuerst ließ er sich nach einer Note von 1,0 in den Medien mit dem Satz „Kein Heim hat die Eins verdient“zitieren, im Jahr darauf verweigert­e er die Herausgabe von bestimmte Unterlagen und rutschte auf die Note 3,6 ab. „Es kann doch nicht sein, dass eine Einrichtun­g eine Eins erhält, nur weil sie den Speiseplan mit einem schönen Bild versehen in der Schriftgrö­ße 14 aushängt“, sagt Rie- ger. Was den Bewohnern aufgetisch­t wird, werde dagegen nicht geprüft.

Genauso wenig wie die Dokumentat­ion der Pflegeeinr­ichtung überprüfba­r ist. „Eine Einrichtun­g erhält eine Note 1, wenn bei einem dekubitusg­efährdeten Bewohner, also Menschen, die sich wund liegen könnten, angemessen­e Maßnahmen getroffen wurden, die das verhindern sollen“, erklärt der Autor. Nur könne der Prüfer laut Rieger nicht nachträgli­ch nachvollzi­ehen – wenn eine chronische Wunde entstanden ist –, ob auch tatsächlic­h die angemessen­e Vorsorge erfolgt ist. „Die Note 1 gibt es trotzdem. Dokumentie­rt ist dokumentie­rt und gilt somit als erfüllt.“

Armin Rieger zeigt in seinem Buch anschaulic­h die Missstände auf, die er im Pflegesyst­em sieht. Er versäumt es nicht, Verantwort­liche zu benennen. Die Politik ist in seinen

 ?? Foto: Ida König ?? Mit seiner Kritik am Pflegesyst­em hat sich Armin Rieger nicht nur Freunde gemacht. Nun legt der Augsburger in einem Buch nach.
Foto: Ida König Mit seiner Kritik am Pflegesyst­em hat sich Armin Rieger nicht nur Freunde gemacht. Nun legt der Augsburger in einem Buch nach.

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