Augsburger Allgemeine (Land West)
Die vielen Facetten der Kriegswährung
Augsburg vor 100 Jahren Firmen und die Stadt druckten Geld-Ersatzscheine. Aus Münzen wurde Munition
Augsburg Vor 100 Jahren bestimmte der Erste Weltkrieg für vier Jahre das Leben auch in Augsburg. 1916 tobte in Frankreich eine bis dahin nicht gekannte Materialschlacht. Hunderttausende starben im Granatenhagel auf den Schlachtfeldern. Für die Verwundeten mussten in der Heimat sogenannte Reserve-Lazarette eingerichtet werden. In Augsburg wurden bevorzugt Volksschulen dazu umfunktioniert. Zahlreich von dort aus bei Langzeitaufenthalten geschriebene Postkarten zeugen von dieser Notsituation.
Versorgungsengpässe versuchte man vor 100 Jahren mit Lebensmit- telmarken in den Griff zu bekom- men. Auch der im Deutschen Reich bereits kurz nach Kriegsbeginn eintretende Metallmangel blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Für die Produktion von Waffen und Munition wurden selbst Kupfer- und Nickelmünzen aus dem Verkehr gezogen und eingeschmolzen. In den Kriegsjahren wurden zwar Fünf- und Zehn-Pfennig-Münzen aus Eisen geprägt, jedoch längst nicht in ausreichender Menge. Die Folge: Vor 100 Jahren herrschte eklatanter Münzgeldmangel.
Gold und Silber benötigte der Staat zum Einkauf von Rohstoffen in neutralen Staaten. Von der Bevölkerung mussten nicht nur in Sparstrümpfen gehortete Gold- und Silbermünzen „abgeschöpft“werden, sondern auch Schmuck. Die Reaktionen auf die amtlichen Abgabeaufforderungen waren zögerlich. Deshalb folgten im Juli 1916 massive Formulierungen: „Heraus mit dem Golde, dem Tand eiserner Zeit!“und „Bringt Eure Gold- und Schmucksachen!“hieß es nun in Zeitungen.
Eine eiserne Medaille sollte wie ein Orden jene belohnen, die Schmuck zum Einschmelzen ablieferten. Dafür gab es auch eine Urkunde der Goldankaufsstelle. Darauf wurde bestätigt, dass der Einlieferer „den Goldschatz der Reichsbank und damit die finanzielle Wehrkraft unseres deutschen Vaterlandes gestärkt“habe. Kriegswichtig waren alle Metallgegenstände. Mit großem propagandistischem Aufwand fand im März 1915 die erste reichsweite „Metallsammelwoche“statt, „um der Industrie und damit unserem Heer neue Metalle zufließen zu lassen“. So lautete eine Begründung.
Der Kleingeldmangel brachte den Einzelhandel in Schwierigkeiten. Bäcker und Metzger mussten nicht nur die zum Einkauf nötigen Lebensmittelmarken verwalten, sie benötigten zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs Ersatzgeld. Augsburger Firmen behalfen sich selbst. 1916 ließ die Zwirnerei und Nähfadenfabrik in Göggingen 5-, 10-, 25- und 50-Pfennig-Scheine drucken. Mit 1- bis 3-PfennigScheinen versuchten die CentralMolkerei und die MAN fehlende Kleinmünzen zu ersetzen.
Die Augsburger Buch- und Kunstdruckerei J P. Himmer wurde zur Gelddruckerei. Dass das Druckhaus selbst unter Kleingeldmangel litt, belegt ein Probedruck eines 5-Pfennig-Scheins. Am 25. November 1916 gab Himmer für den hausinternen Gebrauch 5-, 10-, 25- und 50-Pfennig-Papierchen aus.
Die Herstellung von „Firmengeld“war 1916 eigentlich illegal. Erst im Oktober 1918 wies die Reichsbank die Regierungsstellen an, örtlich gültige „Ersatzwertzeichen“zu gestatten. „Betriebsgeld“sollte nur innerhalb der ausgebenden Firma gültig sein. Das reichte nicht aus.
Am 1. Juni 1917 gab die Stadt Augsburg die ersten „Gutscheine“über eine halbe Mark aus, am 1. Januar 1918 folgte die nächste Serie mit dem gleichen Wert. Ab 15. Oktober 1918 kam Augsburger „Stadtgeld“mit höheren Werten in den Umlauf: Es waren 5-, 10- und 20-Mark-Scheine.
Sammler sicherten sich druckfrische Exemplare. Diesen Trend nutzten Städte, Gemeinden und Vereine: Sie ließen Serien fantasievoll gestalteter Scheine drucken. Ihr alleiniger Zweck war, das Sammelbedürfnis zu decken und so die eigene Kasse zu füllen. Nach Kriegsende zwang die Inflation zum Gelddrucken durch Nichtbanken. Am 17. Juli 1922 verbot die Regierung die ausufernde Notgeldausgabe. Zwei Monate später sah sie sich angesichts galoppierender Hyperinflation wiederum gezwungen, „Privatgeld“mit Scheinen in unbegrenzter Wertangabe zuzulassen.
Augsburg legte Ende Oktober 1923 die letzte Inflationsgeldserie mit sechs Scheinen auf. Auf fünf Milliarden Mark lautete die kleinste Wertangabe, auf 20, 50, 100 Milliarden, eine Billion und fünf Billionen die weiteren Scheine. Am 5. November 1923 begann die Ausgabe der ersten neuen „Rentenmark“-Scheine.
Auf Goldmark oder Dollar lautendes wertbeständiges Notgeld überbrückte die Zeit, bis genügend Banknoten gedruckt waren. Erst Ende 1924 war das Geldwesen im Deutschen Reich wieder auf ein reguläres Niveau gebracht.