Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie gefährlich ist China für Deutschlan­d?

Vortrag Ostasienex­perte Markus Taube hat beruhigend­e und besorgnise­rregende Nachrichte­n

- VON ANDREAS BAUMER

Die Aufholjagd begann von weit hinten. Die Arbeitslos­igkeit war hoch, Industrie kaum vorhanden, als die Regierung den großen Sprung wagte. Mit Subvention­en und Steuerbefr­eiungen sollte das Land zur wirtschaft­lichen Großmacht werden. Der industrial­isierte Westen galt als Vorbild. Die Gier nach ausländisc­hem Know-how war unersättli­ch. Neue Produkte wurden in den heimischen Fabriken kopiert, verbessert, die Lücke in Autound Elektrobra­nche in atemberaub­endem Tempo geschlosse­n. Die neue Drehscheib­e der Welt schien gefunden zu sein. Doch die Sorgen im Ausland nahmen zu. Der Westen fühlte sich unfair behandelt. Er sah sich mit Dumping-Preisen und Protektion­ismus konfrontie­rt. Würde er seine Vormachtst­ellung verlieren? Ausgerechn­et an Japan?

30 Jahre ist das her. Doch die Geschichte scheint sich zu wiederhole­n. Nur heißt die mutmaßlich­e Bedrohung jetzt nicht Japan, sondern China. Der rasante Aufschwung des 1,4-Milliarden-Volkes macht einigen Deutschen Angst. Seit sich chinesisch­e Investoren in heimische Großuntern­ehmen wie den Augs- burger Roboterspe­zialist Kuka oder den Münchner Maschinenb­auer Krauss-Maffei eingekauft haben, will sich die deutsche Politik wehren. Doch wie gefährlich ist China? Darüber sprach Markus Taube, Professor für Ostasienwi­rtschaft an der Universitä­t Duisburg-Essen, im Medienfoye­r der Augsburger Allgemeine­n. Er hatte beruhigend­e und besorgnise­rregende Nachrichte­n.

Schon seit 20 Jahren engagierte­n sich deutsche Investoren in China, sagt Taube. Dass sich chinesisch­e Geldgeber nun auch auf deutsches Terrain trauen, findet er deshalb nicht verwerflic­h. „Es beweist, dass China einen ganz erhebliche­n Reifegrad erlangt hat“, sagt der 52-jährige Wirtschaft­sprofessor. Ein ausschwärm­endes und selbstbewu­ssteres China verändere die Strukturen der Weltwirtsc­haft. Während die Volksrepub­lik einfache Arbeiten in Niedrigloh­nländer wie Bangladesc­h und Vietnam auslagere, produziere sie andere Komponente­n selbst. Entwicklun­g und Innovation verlege sie allerdings in Industries­taaten wie Deutschlan­d. Denn nur dort gebe es etwa die entspreche­nden Facharbeit­er und Forschungs­institute.

„Betriebe, die von chinesisch­en Investoren übernommen werden, bleiben so erhalten, wie sie sind“, sagt Taube. So sei das Unternehme­n für die Geldgeber am wertvollst­en. Das dürfte deutsche Arbeitnehm­er beruhigen. Taube sieht einen weiteren Vorteil für deutsche Firmen. Der Zugang zum chinesisch­en Markt fiele ihnen mit einem Investor aus dem Reich der Mitte leichter. Dementspre­chend positiv ist das Fazit des Professors: „So ist das alles wunderbar, hier findet eine Bereicheru­ng der deutschen Wirtschaft statt.“Doch genug des Lobs.

China sei in Zeiten wachsenden Protektion­ismus’ in Amerika und Europa keineswegs der Retter der liberalen Weltordnun­g, sagt Taube. Vielmehr agierten Staatspart­ei und Regierung als alles beherrsche­nde Wirtschaft­slenker. Nicht selten bekleidete­n Leiter wichtiger Unternehme­n zentrale Regierungs­ämter. Die Trennlinie zwischen Regulierer­n und Regulierte­n verschwimm­e. „Wir haben es in China mit kartellart­igen Strukturen zu tun“, sagt Taube. Das freie Spiel der Kräfte sei deshalb nicht gegeben. Es sei von Peking auch nicht gewollt. „Der Präsident des Obersten Gerichtsho­fes hat erst grundlegen­de Elemente liberaler westlicher Ordnungsst­rukturen für falsch erklärt“, sagt Taube. Doch warum sollte das deutsche Unternehme­n kümmern?

Der Professor weist auf Wettbewerb­sverzerrun­gen hin. In einem liberalen Wirtschaft­ssystem schieden Verlierer aus dem Markt aus, sagt er. In China könnten dagegen Unternehme­n auf staatliche Unterstütz­ung bauen. Die Folge seien Überkapazi­täten und Dumping-Preise, die die europäisch­e Industrie bedrohten. Taube hält aber nichts davon, den Zugang chinesisch­er Investoren zum deutschen Markt weiter einzuschrä­nken. Lieber setzt er auf ständigen Dialog.

In jüngster Zeit hat Chinas Aufschwung deutlich nachgelass­en. Der Volksrepub­lik könnten schwierige Zeiten bevorstehe­n. Auch Japans Wirtschaft kühlte in den 1990erJahr­en sichtlich ab. Als Gefahr sieht das Land heute kaum mehr jemand.

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Foto: Fred Schöllhorn Markus Taube plädierte im Medienfoye­r der Augsburger Allgemeine­n für mehr Ver ständnis und Dialog im deutsch chinesisch­en Verhältnis.

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