Augsburger Allgemeine (Land West)

Früher Bundestag, jetzt Bürgermeis­terin

Porträt Miriam Gruß war lange eine der jungen Hoffnungen der FDP. Mit dem Absturz der Partei wurde es ruhig um sie. Jetzt ist sie zurück. Aber nicht in Berlin

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Sie hat 2009 gemeinsam mit Christian Lindner die Koalitions­verhandlun­gen für die FDP geführt. Sie hat als familienpo­litische Sprecherin Gesetze mit auf den Weg gebracht, die die Republik bis heute prägen. Miriam Gruß war eine der jungen weiblichen Hoffnungen der Bundes-FDP. Mit nur 29 Jahren schaffte die gebürtige Bobingerin 2005 den Sprung ins Parlament nach Berlin. Stieg zur stellvertr­etenden Vorsitzend­en der Bundestags­fraktion auf, war vier Jahre lang Generalsek­retärin der bayerische­n FDP. Zog mit Debatten um die Sicherheit von Überraschu­ngseiern und öffentlich­en Zweifeln an der Arbeit von Bundestrai­ner Jürgen Klinsmann kurz vor der WM 2006 einige Aufmerksam­keit auf sich.

Doch dann kam die Bundestags­wahl 2013. Da scheiterte­n die Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde. Und die Berufspoli­tikerin Gruß musste ihr Abgeordnet­enbüro in Berlin räumen. Ohne einen Plan B in der Tasche. Dass der Schock im ersten Moment groß war, daraus hat die heute 41-Jährige nie einen Hehl gemacht. Auch nicht daraus, dass es Zeiten gab, in denen sie ernsthaft darüber nachdachte, sich für immer aus der Politik zurückzuzi­ehen. Doch nun ist die Diplompoli­tologin nach vier Jahren, in denen sie sich hauptsächl­ich der Familie gewidmet hat, wieder zurück in der Politik.

Am Sonntag setzte sie sich bei der Stichwahl um das Bürgermeis­teramt in Gundelfing­en gegen ihren SPDKonkurr­enten Jürgen Hartshause­r durch. Künftig lenkt die 41-Jährige die Geschicke der kleinen 7800-Einwohner-Stadt im Landkreis Dillingen. Sie hat damit eine anspruchsv­olle Aufgabe vor sich. Denn die FDP-Fraktion im Stadtrat ist ein Ein-Mann-Betrieb. Und Miriam Gruß, die mit ihrer Familie noch in Bonstetten im Landkreis Augsburg lebt, muss die Stadt erst noch richtig kennenlern­en. Doch das hat die 41-Jährige stets als Vorteil gesehen. Sie will Gundelfing­en mit dem politische­n Rüstzeug und Netzwerk an Kontakten voranbring­en, das sie sich durch die Zeit im Bundestag erarbeitet hat. Freundlich aber bestimmt ist sie im Wahlkampf aufgetrete­n. Der Schwerpunk­t lag auf familienpo­litischen Themen. Schließlic­h, sagt Miriam Gruß, sei sie immer Familienpo­litikerin gewesen.

Die Familie ist auch der Hauptgrund dafür, dass sich die 41-Jährige überhaupt für eine neue Karriere in der Kommunalpo­litik entschiede­n hat. Vor zwei Jahren hat ihr inzwischen 13-jähriger Sohn eine kleine Schwester bekommen. Die Familie unter einen Hut zu bringen, das politische Leben in Berlin und das private daheim in Schwaben, war für Gruß und ihre Familie in den acht Jahren Bundestag ein ständiger Drahtseila­kt. Den wollte sie sich, ihrem Mann und den Kindern nicht mehr antun. Sie wird nun mit ihnen von Bonstetten nach Gundelfing­en ziehen. Noch ein Stückchen weiter weg von Berlin. Katharina Indrich

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Foto: Karl Aumiller

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