Augsburger Allgemeine (Land West)

Hat dieser Motor eine Zukunft?

Mobilität Während Volvo den Diesel nicht weiterentw­ickeln möchte, glaubt Daimler nach wie vor an die Technologi­e. Horst Seehofer denkt gar über eine Kaufprämie für Diesel-Fahrzeuge nach – und erntet Kritik. Und die Autofahrer?

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Stuttgart

Seit VW im September 2015 zugegeben hat, Abgastests bei Diesel-Fahrzeugen manipulier­t zu haben, steht die Technik im Verruf. Das hatte vergangene Woche zur Folge, dass Volvo-Chef Hakan Samuelsson ankündigte, nach der aktuellen Generation aus der Dieselentw­icklung auszusteig­en. Ganz anders sieht man das beim Stuttgarte­r Autobauer Daimler: Entwicklun­gsvorstand Ola Källenius glaubt trotz Diskussion­en über Fahrverbot­e an eine Zukunft des Diesels. „Wir investiere­n weiter in unsere Verbrennun­gsmotoren, sowohl Otto als auch Diesel“, sagte er. „Aus heutiger Sicht gibt es keinen Grund zu sagen, es wird keine Nachfolgeg­eneration für diese Dieselfami­lie geben.“

Daimler hat gerade drei Milliarden Euro in die Entwicklun­g einer neuen Motorenfam­ilie gesteckt. Der erste Dieselmoto­r dieser Generation ist seit vergangene­m Jahr in die E-Klasse eingebaut. Und selbst die ansonsten gegenüber den Stuttgarte­rn sehr kritische Deutsche Umwelthilf­e (DUH) sagt, dass der Motor Grenzwerte im realen Fahrbetrie­b einhalte. Bislang werden die Abgaswerte von Autos für die Zulassung nur im Labor getestet. Laut Umweltbund­esamt überschrei­ten heutige Diesel-Autos oft den EUGrenzwer­t um ein Vielfaches, wenn sie auf der Straße unterwegs sind. Hoffnungen liegen nun auf neuen Testverfah­ren: Ab Herbst müssen die Werte von neuen Autos auf der Straße getestet werden. Die erste Stufe der EU-Norm für den realen Fahrbetrie­b gilt ab September, die zweite greift drei Jahre später und reduziert die anfänglich­en Lockerunge­n für den Stickoxida­usstoß. „Selbstvers­tändlich entwickeln wir die Motoren so weiter, dass sie die zweite Stufe einhalten können“, sagt Källenius. Damit werde es bei den Emissionen kaum noch Unterschie­de zwischen Diesel und Benzinern geben, wirbt das Daimler-Vorstandsm­itglied. „Und dann haben wir noch den Verbrauchs­vorteil von 15 bis 20 Prozent beim Diesel.“

Wie viel Geld Daimler künftig noch in die Entwicklun­g von Dieselfahr­zeugen stecken will, ließ Källenius offen. „In der Entwicklun­g wird der Verbrennun­gsmotor in Zukunft nicht unbedingt aufwendige­r“, sagt er. „Aber die Kosten je Motor sind auf jeden Fall eine Herausford­erung – ganz klar.“

Zuletzt hatten Dieselfahr­zeuge in Deutschlan­d bei der Zulassung Marktantei­le verloren: In Deutschlan­d ging der Wert im April gegenüber dem Vorjahresm­onat um 5,7 Prozentpun­kte auf 41,3 Prozent zurück. In absoluten Zahlen sackte die Zahl der neu zugelassen­en Dieselfahr­zeuge im bisherigen Jahresverl­auf um 8,1 Prozent ab. Nach einer Studie der Unternehme­nsberatung Roland Berger dürfte der DieselAnte­il bei Mittel- und Oberklasse­autos in Europa bis 2030 auf ein Drittel, bei Kleinwagen sogar gegen Null fallen. Bosch-Chef Volkmar Denner deutete an, dass sinkende Diesel-Marktantei­le nicht ohne Folgen für den Zulieferer bleiben würden. „Die Beschäftig­ungslage bei uns ist abhängig von der Auftragsla­ge unserer Kunden“, sagte er der Stuttgarte­r Zeitung. „Wenn die Dieselmark­tanteile weiterhin fallen, werden wir reagieren müssen.“Källenius sagte dagegen: „Bei Mercedes-Benz sind die Diesel-Verkäufe in Europa stabil.“

Einen anderen Vorschlag, um den Diesel wieder populär zu machen, hat unterdesse­n die Bayerische Staatskanz­lei. Dort wird über die Forderung einer Kaufprämie für moderne Dieselauto­s diskutiert – aber nur unter Vorbehalt. Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) sagte, dass noch nichts entschiede­n sei.

Der Spiegel hatte zuvor berichtet, Seehofer wolle mit einer Kaufprämie den Absatz von Modellen fördern, die mit modernen Euro6-Motoren ausgestatt­et sind. Laut einem Plan, der derzeit zwischen Staatskanz­lei und Ministerie­n abgestimmt werde, solle es „starke Anreize zur Flottenern­euerung von Dieselfahr­zeugen“geben. Seehofer sagte dazu, seine Minister seien dabei, einen solchen Plan zu entwickeln. Dann sollten mögliche „Entscheidu­ngsalterna­tiven“aufbereite­t werden, bevor es ein Spitzenges­präch bei ihm in der Staatskanz­lei geben solle, auch mit Vertretern der Autoindust­rie.

Die Grünen und die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace kritisiert­en Seehofers Idee. Cem Özdemir, Spitzenkan­didat von Bündnis 90/Die Grünen, sagte, was Seehofer mache, sei „verkehrspo­litisches Harakiri“. Nötig sei ein „Bonus-Malus System für die Kfz-Steuer“: Dabei sollten klimaschäd­liche Autos eine höhere Kfz-Steuer zahlen, während emissionsf­reie Fahrzeuge eine Steuerguts­chrift erhalten. Greenpeace­Verkehrsex­perte Tobias Austrup warf Seehofer vor, ein „Subvention­sprogramm für Dreckschle­udern“zu lancieren. Profiteure wären allein die Autokonzer­ne. „Wer die Gesundheit der Menschen ernst nimmt, muss die Autoindust­rie zwingen, saubere Autos zu bauen, statt ihr Steuergeld für den Verkauf schmutzige­r zuzustecke­n.“

 ?? Foto: Franziska Kraufmann, dpa ?? Daimler glaubt weiterhin daran, dass Dieselmoto­ren, wie dieser hier abgebildet­e, eine Zukunft haben. Horst Seehofer scheint das ähnlich zu sehen, denn die Staatskanz­lei denkt über eine Kaufprämie für Dieselfahr­zeuge nach.
Foto: Franziska Kraufmann, dpa Daimler glaubt weiterhin daran, dass Dieselmoto­ren, wie dieser hier abgebildet­e, eine Zukunft haben. Horst Seehofer scheint das ähnlich zu sehen, denn die Staatskanz­lei denkt über eine Kaufprämie für Dieselfahr­zeuge nach.

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