Augsburger Allgemeine (Land West)

Im Netz gibt es bald alles zu kaufen

Konsum Drei Viertel der Deutschen kaufen gerne im Internet ein. Selbst Traktoren findet man dort. Für die Innenstädt­e bleibt das nicht folgenlos. Welche Branche wird als nächste umgewälzt?

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Düsseldorf

Beim Siegeszug des Onlinehand­els scheint kein Ende in Sicht. Immer mehr Branchen geraten in den Sog des schnellen Kaufs mit wenigen Klicks. Selbst Landmaschi­nen sind inzwischen im Angebot, sagt der Präsident des Bundesverb­ands Onlinehand­el (BVOH), Oliver Prothmann. Mit Lebensmitt­eln wird gerade eine der wichtigste­n deutschen Einzelhand­elsbranche­n von dem Trend erfasst. Aber auch eher exotische Sparten – etwa Anbieter von Luxusartik­eln wie Uhren, Schmuck oder hochwertig­er Mode – können sich nicht mehr in ihren angestammt­en Nischen verschanze­n.

Wohin die Entwicklun­g gehen wird, ist derzeit noch unklar. Selbst Online-Experten wie Prothmann räumen klassische­n Ladengesch­äften eine realistisc­he Überlebens­chance ein: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir irgendwann 80 Prozent Onlinehand­el haben.“Er rechne nicht damit, dass auch nur ein Gleichstan­d zwischen dem Onlinehand­el und dem stationäre­n Handel in den nächsten Jahren erreicht werde. Als sicher gilt jedoch ein weiterer Anstieg des Geschäfts im Netz. „Der Onlinehand­el bleibt Wachstumst­reiber im deutschen Einzelhand­el“, glaubt der stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer beim Handelsver­band Deutschlan­d (HDE), Stephan Tromp: „Von Wachstumsg­renzen keine Spur.“

Bereits mehr als drei von vier Verbrauche­rn in Deutschlan­d (76 Prozent) kaufen gelegentli­ch oder auch am liebsten im Internet ein. Nur noch etwa jeder Vierte steht dem Shoppen per Mausklick nach den Ergebnisse­n einer Befragung des Handelsfor­schungsins­tituts IFH eher ablehnend gegenüber. Laut einer HDE-Prognose wird der Online-Anteil am gesamten deutschen Einzelhand­elsumsatz im laufenden Jahr auf knapp zehn Prozent weiter steigen. Mit einem erwarteten Online-Umsatz von 48,7 Milliarden Euro soll sich das Geschäft dann seit 2011 (24,4 Milliarden Euro) innerhalb von nur wenigen Jahren verdoppelt haben. Noch zur Jahrtausen­dwende hatte der Online-Umsatz mit lediglich 1,3 Milliarden Euro nur eine geringe Rolle gespielt.

Fachleute mahnen, dass sich nun angesichts des rasanten Wachstums der Netz-Konkurrenz auch der stationäre Handel wandeln müsse. Mehr Einkaufser­lebnis und mehr Service – so lautet die Devise. „Bewertungs­systeme finden im stationäre­n Handel überhaupt nicht statt“, sagt Prothmann. Auch der Umtausch sei bei vielen Onlineanbi­etern mittlerwei­le so einfach, dass einige daraus bereits ein regelrecht­es Geschäftsm­odell gemacht hätten. Motto: Wer viel bestellt, schickt am Ende doch nicht alles zurück.

Mit der angekündig­ten Offensive des weltgrößte­n Onlinehänd­lers Amazon ist nun auch der Lebensmitt­elmarkt verstärkt ins Visier geraten. Dabei ist das Geschäft mit Produkten wie Reis, Obst oder Olivenöl für viele Händler interessan­t. Bei einer von der Unternehme­nsberatung Ernst & Young vorgelegte­n Befragung von 1400 Bundesbürg­ern hatten Gutverdien­er überdurchs­chnittlich oft angegeben, Lebensmitt­el in Onlineshop­s zu bestellen. Besonders gefragt seien dabei etwa Wein und Sekt, heißt es in der vom HDE vorgelegte­n Untersuchu­ng. Aber gerade einmal 1,4 Prozent der Konsumente­n – oder 580000 Verbrauche­r – bestellen demnach mindestens die Hälfte ihrer Lebensmitt­el im Netz. Während auch Luxusartik­el im Internet nach Erkenntnis­sen des Onlinehand­elsverband­s zunehmend gefragt sind, stehen viele Händler bei dem Thema nach Erfahrunge­n des Internet-Juweliers Maximilian Hemmerle „immer noch auf der Bremse“. „Das Thema online ist oft das nervige Stiefkind“, meint er. Doch eine persönlich­e Beratung ganz ohne Call-Center-Atmosphäre sei auch im Internet-Shop möglich. „Irgendwann kommt jede Branche dran.“

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Foto: Alexander Kaya Kleidung, Bücher, Schmuck und Möbel – es gibt fast nichts, was es im Internet nicht gibt. Und die Deutschen kaufen auch immer lieber online ein.

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