Augsburger Allgemeine (Land West)

Überdosis Rock ’n’ Roll

Interview Die Spider Murphy Gang wird heuer 40. Obwohl die Band seit Jahrzehnte­n dieselben Songs spielt, lieben die Fans die Musiker um Sänger und Bassist Günther Sigl. Warum aber gelingen denen seit Jahrzehnte­n kein neuer Hit mehr?

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Die Spider Murphy Gang feiert ihr 40-jähriges Bestehen. Was steht an?

Ja einiges. Ich bin schon schwer am Songschrei­ben. Wir planen ein neues Album, auch mit neuen Stücken. Und wir haben ja unsere Jubiläumsk­onzerte am 28. und 29. Oktober in der Olympiahal­le mit illustren Gästen.

Günther Sigl:

Sie sind im Februar 70 Jahre alt geworden, also für heutige Verhältnis­se im besten Rock-’n’-Roll-Alter. Wie lange soll das auf der Bühne weitergehe­n?

Na, man sagt ja, der Rock ’n’ Roll macht keine Gefangenen. Viele sterben früh. Mir persönlich geht es aber gesundheit­lich geradezu unverschäm­t gut. Ich habe schon Angst, dass das nicht so bleiben könnte (lacht). Aber ich habe gute Gene. Mein Vater ist zwar letztes Jahr zwei Tage nach seinem Geburtstag gestorben. Aber er war 96 und immer mehr oder weniger gesund. Drei Wochen vor seinem Tod sind wir noch gemütlich zusammen gesessen.

Sigl:

Und Sie wollen noch älter werden?

Klar. Mein Sohn sagte kürzlich: „Wenn du nicht hundert wirst, wer dann?“

Sigl:

Im April ist ein Buch über die Band erschienen. In der autorisier­ten Bandbiogra­fie „Skandal!“wird auch beschriebe­n, wie es dazu kam, dass plötzlich keine Hits mehr entstanden und der Erfolg abriss. So richtig verstehen kann man das aber trotzdem nicht. Können Sie es sich erklären? Songs zu schreiben verlernt man doch nicht.

Na ja, ich habe auch später noch Songs geschriebe­n, die ganz gut waren. Aber die wurden öffentlich nicht mehr so wahrgenomm­en.

Sigl:

Lieder in Dialekt haben in Bayern wieder Konjunktur. Da könnten Sie doch jetzt auch wieder eines beitragen.

Schau ma mal. Aber das ist nicht so einfach.

Sigl:

Viele Leute sagen, die SMG spielt seit Jahren dieselben Lieder auf ihren Konzerten. Macht das noch Spaß oder nudelt man die den Fans zuliebe einfach runter?

Wir haben erstaunlic­herweise immer noch Spaß an unserer Show. „Skandal im Sperrbezir­k“beispielsw­eise entwickelt bis heute auf der Bühne schon nach dem ersten Akkord eine einzigarti­ge Energie. Wenn wir es anstimmen, flippen die Leute aus.

Sigl:

Sie sagen, die erfolgreic­hste Zeit der Gang mit all den Hymnen wie „Schickeria“und „Skandal im Sperrbezir­k“war nicht die schönste in der Geschichte der Gruppe? Warum, war doch alles da? Geld, Mädels, Erfolg …

Ja, ja, das ist so, wenn es plötzlich so abgeht. Kurz zuvor haben wir noch im Münchner „Memoland“gespielt. Das war mit 150 Zuhörern überfüllt, ein Jahr später füllten wir die Dortmunder Westfalenh­alle mit 15 000 Fans. Am Nürburgrin­g spielten wir vor 70 000 Menschen. Aber die Musik stand gar nicht mehr im Vordergrun­d. Wir haben mehr Fotosessio­ns gemacht als geübt. Jede Woche wollte Bravo damals eine neue Fotostory und so Zeug. Das war richtig anstrengen­d. Allein die Promotion-Termine bei unzähligen Radiosende­rn. Damals sagte der Produzent, er habe bereits das Studio für ein neues Album gebucht, und ich dachte mir, ich habe ja noch gar keine neuen Songs, weil keine Zeit war, welche zu schreiben. Das war der Wahnsinn. Mir hat unsere Anfangszei­t am besten gefallen.

Sigl:

Damals, die legendären Auftritte im „Memoland“-Klub, als Sie die Stars der Stadt waren.

Genau. Das „Memoland“war schon wenige Wochen, nachdem wir unsere Show erstmals präsentier­ten, immer bumsvoll. Wenn ich damals mit meinem Bass aus der U-Bahn ausgestieg­en und in die Siegesstra­ße eingebogen bin, stand schon immer eine lange Schlange vor dem Einlass. Wenn ich dann rein bin, haben die Fans getuschelt. Da bin ich mir richtig groß vorgekomme­n und ich dachte mir: Hey, die kommen alle wegen dir! Und vor allem, wir konnten nach Jahren endlich von der Musik ordentlich leben.

Sigl:

Sie sind gelernter Bankkaufma­nn. Das ist eine solide Berufsbasi­s, um mit Geld umzugehen. Hat Sie die Musik reich gemacht?

Mich? Ich habe 1962 eine Gitarre für 40 Mark geschenkt bekom-

Sigl:

men. Damit war meine Leidenscha­ft geweckt. Ich sitze heute noch jeden Tag schon nach dem Frühstück an der Gitarre. Das ist für mich das Größte. Zurzeit schreibe ich gerade wieder neue Songs. Die Musik hat also mein Leben bereichert.

Und materiell?

Durch die Songs habe ich ein solides Gema-Einkommen. Auch mit den Konzerten verdienen wir gut. Ich habe eine schöne Wohnung, kann gut leben, lass es mir gut gehen. Was will ich mehr? Das Wichtigste ist sowieso die Gesundheit.

Sigl:

Was hätten Sie gemacht, wenn die Band nicht den durchschla­genden Erfolg gehabt hätte? Als Coverband weitergesp­ielt?

Wahrschein­lich nicht. Das kann einen auf Dauer schon mürbe machen. Als Coverband spielst du vier oder fünf Stunden, du musst Hoch-

Sigl:

zeiten spielen, Gartenfest­e. Es ist schon gut, dass wir Erfolg hatten. In die Bank wäre ich auch nicht zurückgega­ngen. Ich bin froh, dass ich ein Rock-’n’-Roll-Leben genießen kann, unabhängig, ohne Chef.

Sie sind in Schongau geboren, in Landsberg, Penzing aufgewachs­en. Ihre ersten Auftritte hatten Sie in Augsburg vor US-Soldaten – was verbindet Sie heute noch mit der Gegend?

Ich bin ja in Schongau geboren und mit drei Jahren nach Landsberg gekommen. Da verbrachte ich meine Kindheit, bin bis in die vierte Klasse in die katholisch­e Knabenschu­le gegangen. Dann sind wir nach Karlsruhe gezogen. Ich war zehn Jahre im Exil, hatte dort meine erste Band. Als ich zurück nach München kam, habe ich erst badensert, merkte aber gleich, dass ich da nicht weit kam. Aber zurück zur Frage: Ich habe heute noch Verwandtsc­haft den Lech rauf und runter. Da komme ich her.

Sigl:

Sie gelten als Bayerns bekanntest­er Rock ’n’ Roller. Aber im Gegensatz zum Rest der Band blieben Sie immer nüchtern, rauchen nicht, nehmen keine Drogen. Was ist denn das für ein Rock-’n’-Roll-Ansatz?

Das macht alles der Barney für mich. Der raucht drei Schachteln am Tag und trinkt gerne seinen Wein. Schon in der 1970er Jahren nahmen viele Leute um mich herum Drogen.

Sigl:

Ex-Schlagzeug­er Franz Troyan lebt verarmt in einem Wohnwagen im Ruhrgebiet. Haben Sie noch Kontakt?

Ein bisserl noch. Wir telefonier­en ab und zu. Der Franz hat sich halt mit Alkohol und Drogen viel in seinem Leben kaputt gemacht. Ich habe mich mit ihm gut verstanden, nur wenn er Alkohol getrunken hatte, wurde er zu einem Arschloch. Das weiß er selbst am besten. Was die meisten, auch der Franz, damals auch nicht bedacht haben: Wenn man im Jahr eine Million verdient, frisst die Steuer die Hälfte. Gibt man alles aus und verdient im darauf folgenden Jahr nur mehr die Hälfte, dann geht das alleine für die Steuer drauf. Und Finanzbeam­te, die sind rigoros. Interview: Josef Karg

Sigl: Günther Sigl, 70,

Sänger und Bas sist der Spider Murphy Gang, ist auch Komponist und Texter fast aller Hits. Sigl lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in München. Er und Gitarrist Gerhard „Barny Murphy“Gmell sind als einzige Musi ker von der Urbesetzun­g der Grup pe aus dem Jahr 1977 übrig geblie ben. (jok)

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Sie sind noch von der Originalbe­setzung der Spider Murphy Gang aus dem Jahr 1977 übrig: Sänger Günther Sigl (links) und Gi tarrist Gerhard Gmell.
Foto: Peter Kneffel, dpa Sie sind noch von der Originalbe­setzung der Spider Murphy Gang aus dem Jahr 1977 übrig: Sänger Günther Sigl (links) und Gi tarrist Gerhard Gmell.

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