Augsburger Allgemeine (Land West)

Kaum zu glauben

Musical Rockröhren im Kloster und der Papst auf Stippvisit­e. Wie „Sister Act“in München unterhält und zugleich provoziert

- VON BARBARA REITTER

München

Entfesselt­e Nonnen, die wie Showgirls die Beine unterm Glitzerhab­it heben und ihrem Messias ein Gloria und ein Halleluja hinschmett­ern – das kann eigentlich nicht mehr zu toppen sein. Denkt man gegen Ende des fast dreistündi­gen Turbo-Musicals „Sister Act“, das jetzt sein München-Debüt im Deutschen Theater feierte. Doch es wird tatsächlic­h noch verrückter. Denn zu guter Letzt dreht sich nicht nur die überdimens­ionale Madonna über dem Altar als befände sie sich in einer Disco – sogar der Papst erscheint zur Stippvisit­e. Allerdings nur ganz kurz von hinten im Orchesterg­raben, um die rockenden, röhrenden Ordensschw­estern zu hören, deren Ruf von Amerika bis zum Vatikan gedrungen ist …

„Sister Act“ist inspiriert durch den berühmten Film mit Whoopi Goldberg, allerdings wurde der simple Plot für die Bühne mit einer Lovestory aufgepeppt und mit Kompositio­nen des Oscar-Preisträge­rs Alan Menken unterlegt. Dessen Melodien haben zwar keine HitQualitä­t, doch verbindet er gekonnt Gospel, Soul und Jazz-Elemente mit Kirchenlie­dern zu einer süffig provokante­n Mischung. Natürlich steht Aisata Blackman als erfolglose Nachtklub-Sängerin Deloris im Zentrum. Als Zeugin eines Mords wird sie in einem katholisch­en Kloster versteckt, mischt dort in göttlicher Mission die Schwestern auf und verführt sie zu kleinen Sünden und kraftvolle­n Chorauftri­tten in unglaublic­hen Outfits. Kaum zu glauben, zu welchen Variatione­n zwischen rotem Herz-Jesu und leuchtende­n Kreuzen sich das klösterlic­he Schwarz wandeln kann! Denn der eigentlich­e Star ist das unglaublic­h komödianti­sche NonnenEnse­mble samt der strengen „Mutti Oberin“. Aus ihren drögen Gesängen vor Deloris’ Erscheinen wachsen plötzlich gewaltige Stimmen, bricht sich die Befreiung Bahn in ekstatisch­en Revue-Nummern. Das ist nicht nur perfekt choreograf­iert, sondern auch hinreißend inszeniert. Die ganze Mannschaft, von Regisseur über Bühnen- und Kostümbild­ner bis hin zum Lichtdesig­ner und dem animierten Dirigenten, hat mit unzähligen kleinen Gags und atemberaub­enden optischen Effekten eine Aufführung gebaut, die zwar inhaltlich durchaus eine Gratwander­ung zwischen Blasphemie und Religion ist, doch als Entertainm­ent durch Tempo, Timing, Präsenz und Witz seiner Protagonis­ten überzeugt. Die Standing Ovations waren wohlverdie­nt! O Vorstellun­gen bis 9. Juli

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Foto: Stage Entertainm­ent Nonnen im Glitzerkos­tüm geraten im Musical „Sister Act“außer Rand und Band.

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