Augsburger Allgemeine (Land West)

Kunst am Herz

Transplant­ation Die Lebensrett­er in der Brust werden immer kleiner. Bald soll auch die Energiever­sorgung integriert sein

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Augsburg Noch wenige Jahre, schätzt Prof. Dr. Michael Beyer, Ärztlicher Vorstand des Klinikums Augsburg, dann werden Kunstherze­n die Transplant­ation von Lebend-Organen überflüssi­g machen. Bislang warten weit über 1000 Menschen in Deutschlan­d auf eine Herztransp­lantation. Für sie kommt aus verschiede­nen medizinisc­hen Gründen ein Kunstherz nicht infrage. Denn derzeit müssen Patienten, die ein Kunstherz implantier­t bekommen, die Energiever­sorgung dafür noch in einem Gürtel um die Hüfte mit sich tragen. „Ein Kabel, das aus dem Körper herausführ­t, birgt immer eine gewisse Gefahr für Infektione­n“, sagt Dr. Frank Oertel, leitender Oberarzt an der Klinik für Herz-Thorax-Chirurgie. Am Klinikum Augsburg werden derzeit mehr als 20 solcher Eingriffe pro Jahr durchgefüh­rt – weit mehr als in jedem anderen Krankenhau­s in Süddeutsch­land.

Die neue Generation von Kunstherze­n wird am schlagende­n Herzen implantier­t. „Ein großer Vorteil für den Patienten, der zur Unterstütz­ung dabei zwar an die Herz-Lungen-Maschine angeschlos­sen ist“, erläutert Oertel. Aber der Eingriff sei dadurch deutlich weniger traumatisc­h für Herz und Organismus.

Die derzeitige Generation der Kunstherze­n ist etwas größer als eine Streichhol­zschachtel. Die Laufzeit eines Kunstherze­ns beträgt acht bis zehn Jahre. Oertel schätzt, dass das Kunstherz in etwa zwei Jahren noch kleiner und die Energiever­sorgung im Gerät integriert sein wird. „Das macht Patienten wieder weitgehend unabhängig und weniger anfällig für Infektione­n.“

80 000 Euro kostet die Implantati­on eines Kunstherze­ns, die Transplant­ation eines Lebend-Organs ist sogar um einiges teurer. „Das liegt daran, dass Patienten mit einem Kunstherz lediglich blutverdün­nende Mittel einnehmen müssen“, erklärt Oertel. „Bei einer Herztransp­lantation dagegen müssen viel mehr Medikament­e verabreich­t werden, damit das Fremdorgan vom Körper nicht abgestoßen wird.“Zudem seien die negativen Nebenwirku­ngen zahlreiche­r und häufiger.

Die ambulante Versorgung der 30 bis 40 Patienten geschieht ebenfalls im Klinikum Augsburg. Dort wurde ein sogenannte­r VAD-Koordinato­r (engl.: Ventricula­r Assist Device) eingestell­t, der die medizinisc­he Betreuung der Patienten über den Eingriff hinaus regelt. „Diese Menschen, das darf man nicht vergessen, sind auch emotional an uns gebunden“, so Beyer.

So klein das Kunstherz auch ist. Eingesetzt werden kann es Menschen erst ab einem Körpergewi­cht von mindestens 30 Kilogramm. Für Kinder ist es (noch) nicht geeignet. Zudem müsse der Patient über eine gewisse Reife verfügen im Umgang mit dem Kunstorgan.

Die Batteriela­ufzeit des Systems hat sich von anfänglich drei bis vier Stunden auf nun zwölf Stunden verlängert. Die frühere Operations­zeit von vielen Stunden hat sich im Lauf der letzten Jahre auf circa zwei Stunden reduziert. „Die Entwicklun­g geht rasend schnell“, sagt Beyer. Auch der fünfzehn Zentimeter lange Schnitt, den die Chirurgen heute noch in den Brustkorb schneiden, um das Kunstherz einzusetze­n, wird in zwei Jahren nicht mehr nötig sein. „Dann machen wir das minimal-invasiv.“

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Foto: fotolia Noch werden Kunstherze­n per Kabel mit Energie versorgt.

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