Augsburger Allgemeine (Land West)

Abschied mit Schale

Titel Zum letzten Mal hielt Philipp Lahm die Meistertro­phäe in Händen. Die Tür beim FC Bayern steht für den 33-Jährigen weiter offen. Fürs Erste aber hat Uli Hoeneß verkündet, wohin die Reise beim FC Bayern gehen könnte

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München

Mitten in die stimmungsv­olle Meisterfei­er und den rührenden Abschied von Philipp Lahm platzte Uli Hoeneß mit Plänen zur Strategie des FC Bayern. „Wir haben einen Kader, wenn man den verstärken will, muss man schon ziemliche Granaten kaufen. Es wird sicherlich einen Mix geben aus erfahrenen Spielern und Spielern mit Zukunft. Und das herauszufi­nden, wird die Kunst sein“, kündigte der Präsident eine Richtungse­ntscheidun­g für die Transferpe­riode im Sommer an. „Das Problem ist, dass man sich in einem Markt bewegt, der über Summen diskutiert, und in dem auch Summen bezahlt werden, die wir bisher nicht für möglich gehalten haben“, sinnierte Hoeneß.

Der Aufsichtsr­atsboss, der bei der nächtliche­n Party im Münchner Postpalast genüsslich eine Meisterzig­arre paffte, schloss über 100 Millionen Euro an Transferau­sgaben für eine Saison nicht aus. „Für einen Spieler nicht, aber das Gesamtkonz­ept kann natürlich mal viel sein“, sagte der 65-Jährige. „Aber dann muss man auch Spieler abgeben. Über diesen Mix müssen wir uns in den nächsten Wochen einigen.“

Spannende Wochen stehen nach einer Zäsur durch die Abgänge der Weltmeiste­r Lahm und Xabi Alonso bei der am Wochenende sehr emotionale­n Bayern-Familie an. Tief ergriffen dankte Lahm als Anführer der Wembley-Helden von 2013 nach zwei Jahrzehnte­n bei seinem Herzensklu­b allen und jedem. „Die eine oder andere Träne ist bei mir geflossen, ganz klar“, gestand der 33-Jährige, der seine Meisteraug­enblicke für die Ewigkeit meist lächelnd genoss. „Der WM-Sieg oder das Triple, das sind so Momente, die man sein Leben nicht vergisst. Und der heutige Tag gehört mit Sicherheit dazu“, sagte Lahm mitten im Abschiedsm­arathon. „Die Tür wird für ihn beim FC Bayern immer offen sein“, versprach Hoeneß. Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge betonte im Jubeltrube­l für den fünften Titel in Serie auf dem Rathausbal­kon, dass die insgesamt 27. Meistersch­aft kein „Trostpreis“, sondern ein „Supertitel“sei.

Euphorisie­rt kündigte auch Trainer Carlo Ancelotti Stunden nach seiner Premieren-Weißbierdu­sche mehr Partys an. „Wir wollen zusammen noch viele Titel gewinnen. Mia san mia“, sagte der Italiener, der als Sänger und Tänzer auftrat. Künftig müssen die Positionen von Lahm und dem 35 Jahre alten Taktgeber Alonso neu besetzt werden. Außer den beiden Fußballgrö­ßen hört auch Ersatztorw­art Tom Starke auf. Bislang stehen die Zugänge der Hoffenheim­er Nationalsp­ieler Sebastian Rudy und Niklas Süle fest. Über die Verpflicht­ung von Mittelfeld­akteur Leon Goretzka wird munter spekuliert. „Er ist ein Spieler von Schalke 04 und bis 2018 unter Vertrag. Das werden wir immer respektier­en“, sagte Rummenigge. Zwei Jahre nach dem Abgang von Bastian Schweinste­iger und nun nach dem Karriereen­de von Lahm wird die Rolle von Thomas Müller als Identifika­tionsfigur noch einmal wichtiger. Er muss dafür unter Ancelotti wieder mehr als eine Nebenrolle einnehmen. Dazu muss der italienisc­he Trainer bei seiner Agenda 2018 mehr auf junge Kräfte wie etwa Nationalsp­ieler Joshua Kimmich, 22, vertrauen.

Kimmich war beim abschließe­nden 4:1 (1:0) gegen Freiburg wieder einmal anfangs auf der Bank gesessen, durfte dann Jérôme Boateng ersetzen, den das Verletzung­spech in dieser Saison bis ganz zum Schluss verfolgte. Der Weltmeiste­r, der wegen eines Muskelbünd­elrisses zuvor nur 13 Bundesliga-Spiele absolviert­e, musste am Samstag mit einer Oberschenk­elblessur vom Platz. Die Münchner gewannen dank Robben (4. Minute), Vidal (74.), Ribéry (90.+1) und Kimmich (90.+4) am Ende standesgem­äß. Robert Lewandowsk­i (30 Saisontore) ging leer aus und musste den Titel des Torschütde­utsche zenkönigs dem Dortmunder Aubameyang (31 Treffer) überlassen. Im Kampf um die Freiburger EuropaLeag­ue-Teilnahme traf Rekordjoke­r Petersen (76.) für die Freiburger, die als Tabellensi­ebter weiter hoffen dürfen. Die Breisgauer können sich noch für die Europa League qualifizie­ren, sollte Dortmund das Pokalfinal­e gegen Frankfurt gewinnen. Die Höhe des Bayern-Sieges hatte an diesem Nachmittag mit Gänsehautm­omenten durch die letzten Auftritte von Weltmeiste­r-Kapitän Lahm und dem spanischen Allesgewin­ner Xabi Alonso nicht die höchste Bedeutung. Allen beim Rekordcham­pion war nur wichtig, Lahm und Alonso siegreich in die Fußball-Rente zu entlassen. Alonso (82.) und Lahm (87.) wurden bei ihren Auswechslu­ngen lautstark bejubelt. Der Sieg glückte auch dank Starke. Der Bayern-Torhüter zeichnete sich in seinem letzten Auftritt als Profi wiederholt aus. Nach den üblichen Weißbiersc­hwemmen und der Meisterfei­er im Stadion zog die Mannschaft abends auf den Rathausbal­kon, unter dem sich tausende Bayern-Anhänger versammelt hatten. Oben kämpfte Philipp Lahm mit den Tränen. „Es ist für mich immer etwas Besonderes, hier oben zu stehen. Ich möchte mich bei jedem Einzelnen bedanken für die unglaublic­he Unterstütz­ung“, verabschie­dete sich der 33-Jährige vor dem rot-weißen Fahnenmeer.

Starke – Lahm (87. Rafinha), Boateng (11. Kimmich), Alaba, Bernat – Xabi Alonso (82. F. Ribéry), Ar. Vidal – Rob ben, T. Müller, Coman – Lewandowsk­i

Schwolow – Ignjovski (88. H. Nielsen), Gulde, M. O. Kempf, Günter – Frantz (72. J. Schuster), Höfler – Philipp, Grifo – Haberer (67. Petersen), Niederlech ner Dr. Jochen Drees (Münster Sarmsheim) 75 000

1:0 Robben (4.), 2:0, Ar. Vidal (74.), 2:1 Petersen (76.), 3:1 F. Ribéry (90.+1), 4:1 Kimmich (90.+4)

FC Bayern SC Freiburg Tore Schiedsric­hter Zuschauer

 ?? Foto: Angelika Warmuth, dpa ?? Sein achter und letzter Meistertit­el mit dem FC Bayern: Philipp Lahm nach dem 4:1 Sieg gegen Freiburg. Hinter ihm hantiert Manuel Neuer mit einer Krücke. Der Torhüter wird Lahm als Kapitän beerben. Momentan allerdings laboriert er noch an einer...
Foto: Angelika Warmuth, dpa Sein achter und letzter Meistertit­el mit dem FC Bayern: Philipp Lahm nach dem 4:1 Sieg gegen Freiburg. Hinter ihm hantiert Manuel Neuer mit einer Krücke. Der Torhüter wird Lahm als Kapitän beerben. Momentan allerdings laboriert er noch an einer...
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Foto: dpa Selten hat man Carlo Ancelotti so ent spannt lächeln gesehen, wie hier beim Tänzchen mit Anastacia. Die Sängerin hatte ihren Halbzeit Auftritt im Stadion dermaßen überzogen, dass die Partie erst mit zehn Minuten Verspätung wie der beginnen konnte.
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Foto: dpa Die Lahms: Philipp, Claudia (erwartet eine Tochter) und Julian.
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Foto: dpa Weiß, wie Bosse standesgem­äß feiern: Karl Heinz Rummenigge.

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