Augsburger Allgemeine (Land West)
Alles außer Mozart
Michael Wollny und Vincent Peirani begeistern im H2
Wie die Orgel eine Kathedrale füllt Vincent Peirani das H2 im Glaspalast mit seinen Akkordeonklängen, wenn er ganz in sich versunken das Thema von „Song Yet Untitled“vorstellt – eine Komposition des Schweizers Andreas Schaerer. Im Duo mit dem Pianisten Michael Wollny, derzeit einer der profiliertesten Jazzmusiker in Deutschland, eröffnet er so das „Jazz-Gipfeltreffen“im Rahmen des Mozartfestes am späten Samstagabend. Konzertbeginn 22.30 Uhr, eine ungewöhnliche Uhrzeit – sogar für Jazzer, wie Michael Wollny dem Publikum mit einem Augenzwinkern mitteilt.
Hellwach und blitzschnell reagieren die beiden Ausnahmekünstler aufeinander, lassen die Musik nach vorne treiben, fangen sie wieder ein, genießen Ruhemomente, Stille. Den Großteil des Programms hat das Duo auf dem Album „Tandem“eingespielt, so wie auch den Titel „Hunter“der isländischen Sängerin Björk. Weniger psychedelisch als das Original, doch ebenso eindringlich und beschwörend jagen sich Flügel und Akkordeon abwechselnd mit einem sich ständig wiederholenden Marschrhythmus und erzeugen eine Klangfülle, die sonst nur einem ganzen Orchester gelingt. Dazu trägt auch bei, dass beide ihre Instrumente über die herkömmliche Spielweise hinaus nutzen – die Saiten des Flügels als Percussioninstrument sind nur ein Beispiel dafür.
Zum Höhepunkt des zumeist von Melancholie und meditativen Elementen geprägten Programms avanciert der Jazz-Standard „I Mean You“von Thelonius Monk. Die beiden bestens aufeinander eingespielten Musiker stellten ihre Virtuosität zur Schau, ohne dabei ihre Leichtigkeit und Spielfreude zu verlieren. Einfallsreichtum traf auf Erfahrung und Routine – jede Phrase stoppte gemeinsam, rhythmische Elemente griffen mühelos ineinander. Neben dem Jazz bedienten sich Wollny und Peirani in vielen verschiedenen Genres und Epochen – von barocken Fugatos über romantische Klavierzitate bis hin zu zeitgenössisch-experimentellen Elementen setzten sich die beiden Musiker über alle Grenzen hinweg. Nur Mozart war bei diesem außergewöhnlichen Konzert nicht zu hören. Gestört hat das an diesem Abend niemanden.