Augsburger Allgemeine (Land West)

Für viele bleibt die eigene Wohnung ein Traum

Soziales Der Verein „Tür an Tür“weist bei einer Bus-Tour zu Flüchtling­sheimen auf aktuelle Probleme hin

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Maximal zwei Menschen pro Zimmer, acht Quadratmet­er pro Person und das höchstens ein Jahr lang. So lauteten die Forderunge­n, die der Verein „Tür an Tür“1996 für Flüchtling­sunterkünf­te aufstellte. Dass die Realität in vielen Fällen anders aussieht, zeigte die Bus-Tour, die „Tür an Tür“zu seinem 25-jährigen Jubiläum organisier­te. Mit dabei Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth, Bürgermeis­ter Stefan Kiefer und Josef Gediga, Regierungs­vizepräsid­ent von Schwaben.

In der Gemeinscha­ftsunterku­nft in der Ottostraße trifft die Gruppe auf dem Flur Mohamad Alsfour aus Syrien. Er wohnt in einem Raum, vielleicht 20 Quadratmet­er groß, mit seiner Frau und zwei Kindern. Eigentlich dürfte er gar nicht mehr hier sein. Er gilt als sogenannte­r Fehlbelege­r, das heißt, er ist längst als Flüchtling anerkannt. Nach dem Gesetz bedeutet das, dass er nicht mehr in einer Gemeinscha­ftsunterku­nft wohnen dürfte, sondern sich eine eigene Wohnung suchen muss. Was Alsfour auch macht – seit einem halben Jahr. Aber ohne Erfolg. Der Wohnungsma­rkt in Augsburg ist erschöpft. Hinzu kommt, dass viele Vermieter sich scheuen, ihre Wohnung an Flüchtling­e zu vergeben.

Dabei möchte der Syrer unbedingt hier raus. Gerade nachts, wenn die Kinder schlafen sollen, ist es auf den Gängen viel zu laut, außerdem sind die Toiletten verdreckt, so Alsfour. Die Möbel, mit denen sich die Familie das Zimmer wohnlich eingericht­et hat, fanden sie auf der Straße. Geht man den schmalen Flur ein paar Zimmer weiter, sitzt da der zehnjährig­e Besmillah Aziz. Er bekommt von einem ehrenamtli­chen Helfer gerade Deutschnac­hhilfe. Am Morgen flossen noch Tränen. „Wir haben keinen Platz, deswegen hab ich mein ganzes Spielzeug weggeworfe­n.“Die Unterkunft hat insgesamt drei Stockwerke und Platz für knapp 160 Leute. Gut zwei Drittel der Bewohner haben eine Anerkennun­g und dürften längst in eigenen Wohnungen leben.

Dass Unterkünft­e auch völlig anders konzipiert sein können, beweist das Vorzeigepr­ojekt „Haus Noah“der Caritas. Auf dem Gelände an der Friedrich-Ebert-Straße stehen vier zweistöcki­gen Häuser, jedes hat eine Wohnfläche von etwa 220 Quadratmet­ern. Während oben je zwei Apartments eingericht­et sind, befindet sich im Erdgeschos­s eine große, barrierefr­eie Wohnung. Die Wohnstätte­n sind vor allem für Familien vorgesehen. Der „eingeschrä­nkte Familienna­chzug“ist ein Thema, das die Teilnehmer der Bus-Tour beunruhigt. Matthias Schopf-Emrich, Vorstandsm­itglied von „Tür an Tür“, spricht von einem „Menschenre­cht“, das gewahrt bleiben muss.

Ein Großteil der Bewohner in den Flüchtling­sunterkünf­ten ist männlich und zwischen 19 und 29 Jahre alt. In dieser Altersgrup­pe absolviere­n viele eine Ausbildung: Für einen kleinen Teil von ihnen ist da das Wohnheim in der Rosenaustr­aße gedacht. Hier leben ausschließ­lich Auszubilde­nde und Berufstäti­ge. So besteht nachts Ruhe und tagsüber kann gelernt werden. Im Zimmer von Mohammad Ahmadcai und Karimi Danial stapeln sich auf dem Schreibtis­ch Bücher und Ordner. Es herrscht schon fast Internats-Atmosphäre. Sie sind froh, hier sein zu dürfen. „Hier ist es still, weil alle was zu tun haben. In den anderen Unterkünft­en ist jede Nacht Lärm.“Auch Mohammad Ahamdcai gilt, wie die meisten Bewohner, als Fehlbelege­r. Aber eine Wohnung zu finden ist „einfach voll schwer“.

 ?? Foto: Mateusz Roik ?? Nour Alsaour und Mohamad Alsfour su chen eine Wohnung.
Foto: Mateusz Roik Nour Alsaour und Mohamad Alsfour su chen eine Wohnung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany