Augsburger Allgemeine (Land West)
„Profi Fußballer sind keine Maschinen“
Die Fußballergewerkschaft beobachtet Zunahme psychischer Probleme
Die Fußballergewerkschaft VDV hat angesichts zunehmender psychischer Probleme bei Spielern vor Fehlentwicklungen im Profi-Fußball gewarnt. VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky nannte „Druck von vielen Seiten“und mangelnde Sensibilität vieler Klubs als größte Probleme: „Oft wird der Spieler leider eher als Kapital und weniger als Mensch betrachtet.“
Allgemein sei „eine Zunahme im Bereich der psychischen Probleme festzustellen“, sagte Baranowsky: „Immer wieder wenden sich neben Spielern auch Eltern oder Ehefrauen an uns, weil sie sich sorgen. Ein Vater hatte beispielsweise große Sorge, dass sein Sohn sich über Weihnachten etwas antut.“In solchen Fällen sei „schnelle Hilfe erforderlich. Doch leider gibt es bei vielen Klubs noch immer Defizite in diesem Bereich. Zwar ist in den Nachwuchsleistungszentren ein Psychologe inzwischen Pflicht, nicht aber bei den Profiteams“, sagte Baranowsky: „Dabei sprachen sich bei einer VDV-Umfrage fast alle Profis für eine bessere sportpsychologische Betreuung aus.“Trainer alleine seien mit der Arbeit in diesem Bereich meist überfordert: „Die meisten haben natürlich kein Psychologie-Studium absolviert. Und in der Fußballlehrer-Ausbildung wird dieses Thema in nur wenigen Tagen abgehandelt.“
Das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des FC Augsburg steht in engem Kontakt mit der TU München und Prof. Jürgen Beckmann vom Lehrstuhl für Sportpsychologie. Darüber hinaus arbeitet seit rund einem Jahr ein sportpsychologischer Mitarbeiter auf Teilzeitbasis im NLZ mit Spielern und Trainern.
Baranowsky meint, es gebe zwar viele aufgeschlossene und emphatische Trainer, „aber es gibt auch welche, die sagen: So was hatten wir früher nicht und da hat es auch irgendwie funktioniert“.
Ein ganz neuer Aspekt, der weitreichende Präventiv-Maßnahmen erfordert, hat sich in Baranowskys Augen durch den Anschlag auf den Bus von Borussia Dortmund ergeben. Dass das Spiel des BVB gegen AS Monaco direkt am nächsten Tag ausgetragen wurde, sei kritisch zu betrachten. „Einzelne Spieler hätten sich aufgrund des Schocks zwar krankschreiben lassen können. Aber wer macht das schon, wenn es um so viel geht und der Druck so groß ist“, fragte Baranowsky: „Allgemein sollte im Fußball mehr der Mensch betrachtet werden. Auch ProfiFußballer sind keine Maschinen.“Deshalb müsse man nach der Erfahrung von Dortmund mehr vorausdenken und für bestimmte Fälle Krisenszenarien festlegen. „Was ist beispielsweise, wenn sich ein Mitspieler auf dem Platz lebensgefährlich verletzt oder es im Stadion zu Fan-Ausschreitungen kommt? Auch dann fühlen sich einige Spieler verständlicherweise nicht in der Lage, weiterzuspielen“, sagte Baranowsky: „Hier könnten beispielsweise Lücken im Spielplan für mögliche Nachholtermine den zeitlichen Druck vom Kessel nehmen. Auch mit der Physis der Spieler werde teils fahrlässig umgegangen. Viele lassen sich – oft auch auf Druck des Klubs – fitspritzen, aus Angst, ihren Platz zu verlieren.