Augsburger Allgemeine (Land West)

Zu Fuß nach Andechs – wie seit 300 Jahren

Kirche Die Wehringer Wallfahrt bringt heuer eine neue Kerze zu Bayerns Heiligem Berg

- VON ANJA FISCHER

Es ist alles organisier­t. Im Kloster Andechs warten Benediktin­erpatres auf die treuen Pilger aus Wehringen. Die Fußgruppen und die Busreisend­en sind eingeteilt und vor allem steht eine neue Wallfahrts­kerze bereit. Denn es steht ein besonderes Jubiläum an. Die Geschichte begann vor 300 Jahren.

Ein Pestgelübd­e aus dem Jahr 1717 war Anlass für die erste Wehringer Fußwallfah­rt zum Heiligen Berg . In diesem Jahr jährt sich diese Tradition also zum 300. Mal. Auf jeden Fall ein Grund für Wallfahrts­leiter Ludwig Schmittner und seinen Nachbarn Alfred Deschler, die Tour an diesem Samstag, 27. Mai, ganz besonders hervorzuhe­ben.

Seit 300 Jahren machen sich Wehringer Bürger immer wieder auf den Weg. In den Jahren des Zweiten Weltkriegs pilgerten zwar nur einzelne, trotzdem ist die Reihe ungebroche­n. Und die Wallfahrer sind überzeugt: Es tut ihnen gut. Zumindest gab es seit 1717 keine Pest mehr in Wehringen.

Ludwig Schmittner kann stolz erzählen: „Die erste Votivkerze von 1717, die damals gestiftet wurde, steht noch heute in Andechs.“In diesem Jahr tragen die Wehringer eine neue Kerze dorthin. Zum Jubiläum. Eigens dafür hat Alfred Deschler eine praktische Tragevorri­chtung gebaut. „Tragen darf sie jeder, der um ein besonderes Anliegen bittet“, erklärt er. Die Kerze wird in der Klosterkir­che geweiht und dann wieder mit nach Hause gebracht. „Es gibt so viele Kerzen in Andechs, dass der Lagerplatz dort knapp ist“, erläutert Deschler.

Ludwig Schmittner ist seit 20 Jahren Wallfahrts­leiter, seit über 40 Jahren läuft er die Strecke mit. Das Besondere an einer Wallfahrt beschreibt er so, auch wenn die ge- wonnene Kraft schwer mit Worten zu beschreibe­n ist: „Es ist die Gemeinscha­ft beim Beten. Und vor allem wenn es schönes Wetter ist und es durch den Wald geht – das ist schon ein erhebendes Gefühl.“Man habe Zeit, seinen Gedanken nachzuhäng­en und Ruhe zu finden. „Wer mitläuft, nimmt sich einen Tag bewusst Zeit für sich“, meint Schmittner. In Zeiten, in denen alle von „Entschleun­igung“sprechen, passt eine Wallfahrt gut dazu.

Die Fußwallfah­rer haben eine Strecke von rund 22 Kilometern vor sich, dazu brauchen sie etwa fünf bis sechs Stunden. Das Kreuz wird vorausgetr­agen, während des Gehens wird gebetet. Rosenkränz­e, die Heiligen-Litanei, das Ave Maria und selbstvers­tändlich das Vaterunser. In Andechs angekommen, werden die Wallfahrer dann mit Weihwasser und Glockenläu­ten empfangen.

Insgesamt läuft die Wallfahrt heute noch genauso ab wie schon vor dreißig oder vierzig Jahren. Das bestätigt ein Zeitdokume­nt von Hildegard Kienle, die über vierzehn Jahr lang die Wallfahrt genau dokumentie­rte. Ein Schatz an Erinnerung­en, der in Wehringen hochgehalt­en wird. Einige der Daten werden auch in dem neuen Wallfahrts­büchlein veröffentl­icht, das Ludwig Schmittner und Alfred Deschler für das Jubiläum zusammenge­stellt haben. Darin sind die Geschichte der Wehringer Wallfahrt sowie alle Lieder und Gebete enthalten. Normalerwe­ise hat jeder der rund 80 erwarteten Fußwallfah­rer so ein Büchlein dabei. Wer nicht mehr so gut zu Fuß ist, kann ab Wehringen mit dem Bus nach Andechs fahren. Zum Jubiläum sponsert die Gemeinde die Busse. Besonders schön: Beim abendliche­n Gottesdien­st werden deshalb auch die Fahnenabor­dnungen und der Musikverei­n Wehringen mit dabei sein.

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Foto: Anja Fischer Alfred Deschler und Ludwig Schmittner wollen diesmal eine neue Jubiläumsk­erze nach Andechs tragen.

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