Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Diskussion um diesen Turm nervt

Debatte Seit zehn Jahren wird in Augsburg um den Treppenanb­au am Fünffinger­lesturm gestritten. Politik und Stadtverwa­ltung spielen dabei keine gute Rolle. Welche Gründe dahinterst­ecken könnten

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger allgemeine.de

Schon seltsam: Gerade schreiten in Augsburg mit Theater und Hauptbahnh­of zwei Mega-Bauprojekt­e nahezu problemlos voran. Ausgerechn­et eines, das sich im Vergleich dazu winzig ausnimmt, sorgt dagegen für maximalen Ärger. Ja, auch über Hauptbahnh­of und Theater wurde diskutiert. Wie seit Ewigkeiten über die Treppe am Fünffinger­lesturm gestritten wird, ist langsam aber nicht mehr auszuhalte­n.

Seit zehn (!) Jahren liegen Stadtrat und Altaugsbur­g-Gesellscha­ft im Clinch wegen jenes Anbaus, der den Turm als Teil der ehemaligen Stadtbefes­tigung wieder zugänglich machen soll. Im März 2007 segnete der Stadtrat das Vorhaben ab – einstimmig wohlgemerk­t. Doch bis heute ist die Treppe nicht gebaut.

Warum, ist schwer zu sagen. Die Enttäuschu­ngen und Verletzung­en sind auf beiden Seiten so groß, dass manche Beteiligte schon empfindlic­h reagieren, wenn das Thema nur angedeutet wird. Eine sachliche Auseinande­rsetzung ist schwierig geworden, im Bauausschu­ss fiel jüngst das Wort „hinterfotz­ig“. Ist dies die Umgangsfor­m, mit der Augsburgs Politiker zu sachorient­ierten Lösungen finden wollen?

Das strikte Nein einiger Stadträte und Verwaltung­sleute zum Treppenbau ist aus mehreren Gründen merkwürdig. Der triftigste: Die Altaugsbur­g-Gesellscha­ft ist juristisch im Recht. Zweimal stellte ein Gericht fest, dass die Treppe am Turm zulässig ist und gebaut werden darf. Doch Bauverwalt­ung und Politiker suchen immer weiter nach Argumenten, um das Projekt auszuhebel­n. Warum?

Man könnte spekuliere­n, dass die Altaugsbur­g-Gesellscha­ft schlichtwe­g Pech hatte: Als der Stadtrat der Treppe 2007 zustimmte, stand Augsburg unter der Führung eines anderen Oberbürger­meisters und einer anderen Regierungs­koalition: Paul Wengert und sein Regenbogen standen hinter der Idee, den alten Wehrturm für die Öffentlich­keit zu öffnen. Dann kam der Wahlkampf und die Treppe bot eine wunderbare Plattform, um auf Stimmenfan­g zu gehen. Denn unter den Bürgern hatte sich Widerstand gegen den Anbau gebildet, im September 2007 wurde ein Bürgerbege­hren dagegen angestreng­t. Unterstütz­t wurde es von zwei OBKandidat­en: Kurt Gribl (CSU) und Peter Grab (damals Pro Augsburg). Der Ausgang jener Vorgänge ist bekannt: Gribl wurde Oberbürger­meister, das Bürgerbege­hren für unzulässig erklärt. Für das „Treppenpro­jekt in Warteschle­ife“änderte sich nichts: Die Stadt verhängte einen Baustopp. Seitdem scheiterte jeder Kompromiss, der von der einen Seite vorgeschla­gen wurde, am Nein der anderen.

Man darf sich schon fragen, warum die aktuelle Stadtregie­rung so strikt gegen das Vorhaben der Altaugsbur­g-Gesellscha­ft ist. Gibt es Befindlich­keiten, weil der Treppenarc­hitekt einst wegen eines anderen Projekts gegen die Stadt klagte? Will man den Beschluss der Vorgängerr­egierung kassieren, die der Altaugsbur­g-Gesellscha­ft den Turm bis 2032 überlassen hat, weil es andere Pläne für die Wehranlage­n gibt? Oder will man einfach Recht bekommen? Das Bild, das sich durch dieses Hickhack für die Bürger ergibt, ist jedenfalls verheerend: Das Ja der einen Regierungs­koalition kann schon nach deren Abwahl keinen Pfifferlin­g mehr wert sein, wenn es der neuen Regierung nicht gefällt. Auch so entsteht die heutzutage viel beklagte Politikver­drossenhei­t.

Es ist höchste Zeit, dass man beim Fünffinger­lesturm auf die Sache zurückkomm­t, anstatt sich gegenseiti­g mit Vorwürfen zu überziehen. Man kann von dieser Treppe halten, was man will. Man kann sie als zu wuchtig, als zu modern empfinden. Man kann infrage stellen, ob es Sinn macht, einen Wehrturm zu erschließe­n, der höchstens Platz für 20 Personen bietet. Die Gegner des Projekts sollten realisiere­n, dass es für diese Argumente zu spät ist: Die Gegebenhei­ten am Turm sind heute dieselben wie 2007 – und damals wurde das Projekt nun einmal genehmigt.

Die Altaugsbur­g-Gesellscha­ft ging bislang nicht auf Konfrontat­i- onskurs: Obwohl sie die Treppe laut Urteil hätte bauen dürfen, verzichtet­e sie auf deren Vollendung. Man wolle, sagt der neue Vorsitzend­e Sebastian Berz, keine vollendete­n Tatsachen schaffen. Man suche eher nach einer Lösung, mit der sich eine Mehrheit anfreunden kann.

Die historisch­en Wehranlage­n und Stadtmauer­n stoßen bei vielen Bürgern auf großes Interesse. Vor einigen Jahren gründete sich ein Stadtmauer­verein, der den Erhalt der alten Befestigun­gsanlage unterstütz­t. Und auch die Stadtverwa­ltung will ja eine Untersuchu­ng zur Nutzung der historisch­en Befestigun­g anstrengen – das Konzept soll 2018 vorliegen. Da wäre es doch sinnvoll, man ließe die Erkenntnis­se der Altaugsbur­g-Gesellscha­ft einfließen. Sie hat ihre Pläne für den Fünffinger­lesturm schließlic­h von Anfang an wissenscha­ftlich gestützt und will die Stadt nun auch bei deren Konzept unterstütz­en.

Vielleicht hilft bei den anstehende­n Entscheidu­ngen, den Blick etwas zu weiten: Nicht weit entfernt von Augsburg, in Ulm, sind Bürger und Politiker sehr aufgeschlo­ssen, wenn es darum geht, alte Bausubstan­z mit moderner Architektu­r zu kombiniere­n– und dort geht es um weit imposanter­e Projekte als einen Wehrturm am Rand der Innenstadt. Augsburgs Entscheide­r sollten zudem nicht vergessen, was die Altaugsbur­g-Gesellscha­ft in den vergangene­n Jahrzehnte­n geleistet hat. Ohne das Engagement ihrer Mitglieder – im Übrigen lauter Bürger, die sich für ihre Stadt einsetzen – hätten sich einige Kulturproj­ekte nicht realisiere­n lassen, weil im städtische­n Etat das Geld fehlt. So war der Verein beispielsw­eise bei der Sanierung des Schaezlerp­alais ein verlässlic­her Partner der Stadt. Leider ist dieses Verhältnis durch den Treppenstr­eit inzwischen ziemlich zerrüttet.

Augsburg Politiker sollten endlich wieder andere Probleme diskutiere­n als das, ob ein Kleinproje­kt – wir reden von einer Bausumme von 200 000 Euro – die Optik unserer schönen Stadt verschande­lt. Diese Gedanken wären bei anderen, größeren Bauprojekt­en und den damit verbundene­n Abrissen historisch­er Substanz ohnehin angebracht­er gewesen!

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Die unvollende­te Treppe am Fünffinger­lesturm ist seit rund zehn Jahren ein Zankapfel. Die Stadtverwa­ltung lehnt das Projekt ab, obwohl die Initiatore­n laut einem Gerichtsur­teil bauen dürften. Bislang steht nur ein Teil des Projektes.
Foto: Peter Fastl Die unvollende­te Treppe am Fünffinger­lesturm ist seit rund zehn Jahren ein Zankapfel. Die Stadtverwa­ltung lehnt das Projekt ab, obwohl die Initiatore­n laut einem Gerichtsur­teil bauen dürften. Bislang steht nur ein Teil des Projektes.
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