Augsburger Allgemeine (Land West)
Wurde der Putsch von Erdogan kontrolliert?
Hintergrund Vieles deutet darauf hin, dass die Spitzen von türkischer Armee und Geheimdienst längst über die Pläne für einen Aufstand informiert waren. Jetzt wird spekuliert, warum sie die Regierungsgegner zunächst gewähren ließen
Washington/Istanbul
Wenn es nach der türkischen Regierung geht, gibt es keine Zweifel: Der Putschversuch des vergangenen Sommers wurde auf Befehl des Predigers Fethullah Gülen ausgeführt, und der Plan scheiterte am beherzten Widerstand von Präsident Recep Tayyip Erdogan und vieler Normalbürger auf den Straßen des Landes. Fast ein Jahr nach der Putschnacht vom 15. Juli kommen aber neue Fragen auf: Aussagen eines Informanten des Geheimdienstes und Stellungnahmen mutmaßlicher Putschisten vor Gericht legen nahe, dass Ankara frühzeitig über die Putschpläne informiert war, den Umsturzversuch aber nicht verhinderte. Westliche Geheimdienste denken ähnlich.
Der ehemalige Brigadegeneral Erhan Caha jedenfalls ist sicher, dass in der Putschnacht nichts ohne Wis- schossenen Munition vorgelegt haben. Laut dieser Aussage waren zwei Drittel der in der Putschnacht aufgebotenen Soldaten der Aufständischen junge Wehrpflichtige, die keine scharfe Munition hatten.
Wer also hat geschossen, fragt auch Michael Rubin von der konservativen Denkfabrik AEI in Washington. Der Erdogan-Kritiker weist unter anderem darauf hin, dass nach offizieller Darstellung eine Kommandoeinheit der Aufrührer in der Putschnacht per Hubschrauber in den Urlaubsort Marmaris flog, um Erdogan festzunehmen. Rubin verweist darauf, dass die Behörden den Hubschrauber fliegen ließen, obwohl zu dieser Zeit längst ein Flugverbot bestand. Als die Aufrührer in Marmaris ankamen, war Erdogan schon fort.
Angebliche Geständnisse mutmaßlicher Putschisten erscheinen nun ebenfalls in einem neuen Licht. So sagte Levent Türkkan, ein unter redung zusammen und trennten sich laut Medienberichten erst eine halbe Stunde, bevor die Putschisten am Abend losschlugen.
Schon am Tag vor dem Umsturzversuch sollen Geheimdienst- und Armeechef lange miteinander gesprochen haben. Die regierungskritische Nachrichtenplattform OdaTV meldete, das Treffen am 14. Juli habe sechs Stunden gedauert. Laut einem parlamentarischen Untersuchungsbericht zum Putsch erfuhren die Umstürzler, dass der MIT eingeweiht war, und zogen den Beginn des Aufstandes um sechs Stunden vor, von drei Uhr am Morgen des 16. Juli auf 21 Uhr am 15. Juli. Ex-General Caha und andere fragen sich, warum MIT und Armee nicht einschritten, sondern den Beginn des Aufstandes abwarteten.
Westliche Geheimdienste wollen wegen solcher Ungereimtheiten nicht der Darstellung der Erdogan-