Augsburger Allgemeine (Land West)

Vom Hafen Augsburg bis zum Schwarzen Meer

Geschichte Die Visionen des Architekte­n Karl Albert Gollwitzer sind auch 100 Jahre nach seinem Tod lebendig / Serie (34)

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Augsburg

Ein Visionär ist einer, der aus der Perspektiv­e seiner Zeit irreale Realitäten erschaffen will. Einer, der sich etwa Augsburg als Hafenstadt und Handelsmet­ropole erdenkt, wie es der Architekt Karl Albert Gollwitzer Anfang des 20. Jahrhunder­ts getan hat. Seine Idee: Die Stadt mit der Donau zu verbinden, dadurch einen Zugang bis zum Schwarzen Meer zu schaffen und ein Handelshaf­en rund um den Fünffinger­lesturm und der Kahnfahrt zu erbauen. Ganz neu war der Gedanke zwar schon damals nicht. Bereits 1828 gab es den utopisch anmutenden „Entwurf eines Systems schiffbare­r Canäle im Königreich Bayern“in dem eine solche Verbindung eingezeich­net ist, aber nie schien die Vision so realisierb­ar wie um die Jahrhunder­twende.

Beim „Verein für Fluß- und Kanalschif­ffahrt in Bayern“, gegründet von Prinz Ludwig von Bayern, warb Gollwitzer für seine Idee in einem Vortrag mit dem Titel „Augsburg – eine Donaustadt“. Die Stadt aber ließ wenig begeistern. Das änderte sich auch nicht, als 1901 der Prinz persönlich nach Augsburg kam und betonte: „Es war Gollwitzer selbst, der bewiesen hat, dass dieser Anschluß von Augsburg an die Donau möglich ist.“Gollwitzer ließ nicht locker und veröffentl­ichte ein Werbeplaka­t mit dem Schriftzug „Das Donau-Schiff im Augsburger Stadtgrabe­n“. Darauf betonte er die Ähnlichkei­t seiner Pläne zu den Welthandel­sstädten wie Hamburg, Amsterdam oder Venedig. Seiner Vorstellun­g nach sollte Augsburg zur Metropole heranwachs­en – oder wie es schon in dem Entwurf 1828 hieß: „zum größten Industrie-Bezirk des Kontinents“.

Nur ein Jahr später wurde Gollwitzer­s Vision versenkt. Die Industrieu­nd Handelskam­mer beschloss die Bebauung der Klaucke-Wiese und machte das Hafenproje­kt damit unmöglich. Hingegen die Idee, Augsburg an die Donau anzuschlie­ßen, blieb noch Jahrzehnte bestehen. Bis 1940 wurde eine Stelle am Stadtrand für einen Hafen vorgesehen. Erst 1960, nach dem Bau von Kraftwerke­n am Unterlauf des Lechs und dem Baubeginn des Main-Donau-Kanals verkamen die Pläne zur Hafenstadt Augsburg endgültig zu schwäbisch­en Seemannsga­rn.

Karl Albert Gollwitzer starb am 1917 in Augsburg. So jährt sich am 9. Oktober der Todestag des Baumeister­s und Visionärs zum 100. Mal. Als Reminiszen­z veranstalt­et die Buchhandlu­ng am Obstmarkt im Juni eine „Hafenrundf­ahrt“mit den Booten der Kahnfahrt.

Auch für Bertolt Brecht hatte der Stadtgrabe­n übrigens eine besondere Bedeutung. Seiner Jugendlieb­e Marie Aman soll er hier, ein Jahr vor Gollwitzer­s Tod, den ersten Kuss gegeben haben. Es wäre auch zu schade, hätte dieser an einem schmutzige­n Hafenbecke­n stattgefun­den.

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Foto: Architektu­rmuseum Schwaben So sahen die Pläne von Karl Albert Gollwitzer für einen Hafen am Lech in Augsburg aus.
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