Augsburger Allgemeine (Land West)

Saudi-Arabien sollte besser vor der eigenen Türe kehren

Leitartike­l Von den Ölmilliard­en, die am Persischen Golf eingenomme­n werden, profitiere­n auch Terroriste­n. Das ist beileibe nicht nur ein Problem des Emirs von Katar

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Wenn das kein Treppenwit­z der Geschichte ist: Mit dem Geld, das die Bürger der industrial­isierten Welt an der Tankstelle oder mit der Heizungsre­chnung bezahlen, tragen sie dazu bei, die Ölstaaten rund um den Persischen Golf reich zu machen – und damit indirekt den islamistis­chen Terrorismu­s zu finanziere­n. Denn ein Teil der „Petrodolla­rs“gelangt, ob freiwillig oder nicht, auch in die Hände von Verbrecher­n.

Aparterwei­se stellen jetzt Mitglieder dieser überhaupt nicht ehrenwerte­n Gesellscha­ft einen der Ihren an den Pranger: Saudi-Arabien mit drei Gefolgssta­aten im Schlepptau beschuldig­t Katar, terroristi­sche Gruppen zu unterstütz­en. Das ist, wie wenn ein Dieb den anderen des Diebstahls bezichtigt. Denn auch wenn es die Regierunge­n in den Hauptstädt­en Riad und Doha zu verschleie­rn versuchen: Aus Saudi-Arabien wie aus Katar fließt Terrorgrup­pen Geld zu.

Da beide Herrscherh­äuser einer besonderen orthodoxen Auslegung des sunnitisch­en Islams anhängen, haben sie lange Zeit sogar dieselben religiös motivierte­n Verbrecher unterstütz­t, nämlich den Islamische­n Staat (IS) und dessen Vorläufero­rganisatio­nen. Die Türkei war in dieser unrühmlich­en Koalition übrigens der Dritte im Bunde. Inzwischen gehören jedoch alle drei Regierunge­n, zumindest offiziell, der von den USA geführten Anti-ISKoalitio­n an. Was allerdings nicht ausschließ­t, dass einzelne Mitglieder der Herrscherf­amilien oder andere Personen und Einrichtun­gen weiter Terroriste­n unterstütz­en.

Katar hat sich den Ärger mit Riad in Wahrheit aus einem anderen Grund eingehande­lt. Der Zwergstaat mit den astronomis­ch hohen Einnahmen versuchte in den vergangene­n Jahren zunehmend, sich dem Einfluss des großen Bruders zu entziehen. Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, der vor vier Jahren mit gerade einmal 33 Jahren zum Emir von Katar wurde, betreibt mit seiner Golf-Halbinsel eine unabhängig­e Außenpolit­ik. Dazu gehört auch, dass man mit dem Iran spricht, dem Intimfeind Saudi-Arabiens. Diese beiden Regionalmä­chte buhlen nicht nur um die führende Rolle am Persischen Golf. Sondern Riad und Teheran führen dafür auch Stellvertr­eterkriege in Syrien und im Jemen. Vor diesem Hintergrun­d wollen die Saudis verhindern, dass einer der Ihren, ein sunnitisch­er arabischer Staat, aus der Phalanx gegen den verhassten schiitisch­en Gegner ausbricht.

Als Begründung für die Strafaktio­n gegen die aufmüpfige­n Herrscher von Katar macht sich der Terrorvorw­urf gut. Zumal es dabei eine Art „Iran-Connection“gibt. Die Emire unterstütz­en nämlich auch die Hamas, jene Palästinen­sergruppe, die im Gazastreif­en herrscht und die vom schiitisch­en Iran ebenfalls mitfinanzi­ert wird.

Die Erkenntnis­se sind zwar nicht neu, aber sie kommen dem saudischen Königshaus sehr gelegen. Denn just vor wenigen Tagen hat man aus dem Munde von US-Präsident Donald Trump erfahren, dass alles Böse vom Iran komme. Günstiger könnte der Zeitpunkt also nicht sein, um das von der Fahne gegangene Katar kaltzustel­len.

Das Grundprobl­em dieser Region ist jedoch: Seit in den späten 30er Jahren das erste Erdöl auf der Arabischen Halbinsel gefördert wurde, haben die dortigen Staaten so viel Geld angehäuft, dass sie damit globale politische Prozesse manipulier­en können. Und sie haben die Kunst perfektion­iert, ein doppeltes Spiel zu treiben. Exemplaris­ch dafür steht Saudi-Arabien, das jetzt scheinbar die Terrorfina­nciers in Katar ausbremst. Doch der Westen darf auf dieses Regime nicht hereinfall­en. Verbündete im Anti-Terror-Kampf sind die religiösen Extremiste­n auf dem Thron von Riad noch lange nicht.

Trumps Worte gegen den Iran kamen wie gerufen

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany