Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum die Paar dem Lechtal entflieht

Geschichte Ein Fluss nagt sich unaufhörli­ch in Richtung Südwesten, bis in Ottmaring der Durchbruch entsteht

- VON PHILIPP SCHRÖDERS

Friedberg

Langsam arbeitet sich der Fluss durch den Kiesunterg­rund. Jahr um Jahr, Stück für Stück – immer weiter in Richtung Südwesten, bis beide Gewässer sich vereinigen. Fast scheint es, als werde die untere Paar magisch von iher Schwester im Süden angezogen. Die Vereinigun­g liegt schon lang zurück. Bis nach dem Ende der Eiszeit vor gut 10 000 Jahren mündete die obere Paar bei Mering in den Lech. Die rätselhaft­en Auswirkung­en der Verbindung sind bis heute zu sehen.

Aber wer auf die Landkarte schaut, runzelt die Stirn. Von Süden her kommend fließt die Paar brav parallel zum Lech. Doch am Nordrand von Kissing macht sie plötzlich einen Schlenker. Beim Friedberge­r Stadtteil Ottmaring verlässt sie das Lechtal und fließt weiter in Richtung Nordosten ins Tertiärhüg­elland, nach Dasing, weiter nach Aichach. Die wellige Region besteht aus Millionen Jahre altem Abtragungs­schutt der Alpen, aus Schotter und dem Material, das die Alpenflüss­e während und nach den Eiszeiten in Richtung Donau transporti­ert haben. Beim oberbayeri­schen Vohburg, also erst nach Ingolstadt, mündet die Paar schließlic­h in die Donau – nach 134 Kilometern und unzähligen Mäandern. Vom Lech hat sie sich da längst weit entfernt. Der mündet bei Rain in die Donau. Aber wie ist der Paardurchb­ruch in Ottmaring entstanden? Warum haben sich die beiden Flüsse vereinigt?

Der Forscher Wolfgang Schmid spricht von einem „Kampf zweier Flusssyste­me“. Die untere Paar, also der heutige nördliche Teil, entsprang noch während des Pleistozän­s im Raum Ottmaring. Sie verlagerte ihr Quellgebie­t durch sogenannte rückschrei­tende Erosion (ein Wasserfall z. B. wandert durch Abtragung von Gestein flussaufwä­rts zurück) immer weiter südwärts und näherte sich dem Lechtalran­d.

Entscheide­nde Veränderun­gen gab es auch bei der oberen Paar im Süden. Der Friedberge­r Heimatfors­cher Hubert Raab erklärt: „Eine Hochflut des Lechs verschütte­te ihr die Mündung und zwang sie, entlang des Lechrains als rechte Randrinne im Lechtal ein eigenes Bett zu suchen.“Für kurze Zeit vereinigte sich die obere Paar mit der Friedberge­r Ach – es kam also noch ein Gewässer ins Spiel. Zusammen flossen sie am Lechtalran­d zur Donau.

Doch damit wollte sich die untere Paar nicht abfinden. Noch trennte ein Riegel aus Molassekie­s die beiden Schwester-Flüsse. Doch sie nagte sich immer weiter hinein. Schmid glaubt, dass ihr die starke Grundwasse­rführung in den Kiesschich­ten zugutekam. Jedenfalls gelang es der unteren Paar, den Lechrain zu durchschne­iden, die obere Paar anzuzapfen und in ihr eigenes Bett abzulenken. Zum Glück für die Wanderer und Spaziergän­ger heute: Denn eine Tour an der Paar, die hier gesäumt ist von steilen Wänden und Böschungen, ist zu jeder Jahreszeit idyllisch und lohnenswer­t.

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Foto: Philipp Schröders Die reinste Idylle herrscht am Paardurchb­ruch bei Ottmaring, wo der Fluss heute weg vom Lechtal nach Osten abzweigt.
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