Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie der Geist weht
Performance Eine Tänzerin, eine Vorleserin und eine Sängerin begeben sich in der Moritzkirche auf eine Spurensuche
Der Heilige Geist weht, wo er will. Sagt Jesus. Ist er dann überhaupt greifbar zu machen? Darauf zielte eine Tanz- und Gesangsperformance zum Pfingstfest in der gut besuchten Moritzkirche ab. Anja Göbel und Ortrud Heskamp gelang es durchaus, dem Wirken des Geistes in seinen sieben Gaben Ausdruck zu verleihen. Getreu der mittelalterlichen Sequenz „Veni Sancte Spiritus“, dass ohne sein lebendiges Wehen im Menschen nichts bestehen, nichts heil und gesund sein kann.
Ganz aktuell sieht dies aus, wenn die biegsame Tänzerin wie ein Derwisch voller Unrast herumspringt. Gibt es nichts, das sie zur Ruhe bringen kann, das ihr ständiges Getrieben-Werden stille werden lässt? Die Sängerin beschwört die heilende Kraft des Geistes, empfiehlt ihn als ruhenden Pol und beruhigt singend sich selbst. Noch viel energischer gestaltet Ortrud Heskamp stimmlich den Zorn in einem maßlosen Aufbrausen und stößt die Luft wie ein wütender Stier heraus, bis sie sich in der ständigen Wiederholung der lateinischen Zusage „temperies“(du mäßigst) zügelt.
Mit Texten war Schwester Elisabeth Schwerdt an der Performance beteiligt. Als Seelsorgerin befragte sie im Moritzpunkt Menschen nach ihrer Erfahrung mit dem Geist. Er schenke Lebensmut, wo alles sinnlos und finster erscheint, hat sie erfahren. Dazu irrt die Tänzerin mit einem schwarzen Flor als Augenbinde vorm Gesicht durch den Kirchenraum. Bis sie die Kraft findet, diesen Flor zu zerreißen.
Der Geist tröstet, wo Menschen in Unfreiheit gebunden sind, etwa der Blutzeuge Alfred Delp im Gestapo-Gefängnis. Anja Göbel trug Handfesseln und mühte sich mit der eingeschränkten Bewegungsfreiheit ab. Flehentlich hielt sie ihr Gebundensein einem Höheren hin, damit er die Fessel abnehme. Die Tänzerin verstand es auch, plastisch darzustellen, wie sich innere Erstarrung anfühlt – und deren Erweichung. Schwester Elisabeth, die ausgebildet ist als Psychotherapeutin, kennt es, wenn traumatisierte Menschen nur noch eisig in ihrer Rolle funktionieren, um bloß nicht erneut den Schmerz einer Kränkung zu spüren. Ihr Flehen zum Geist lautet: „Befrei’ mich vom inneren Tod. Ströme in mich, löse meine Härte!“
Stefan Saule an der Orgel variierte zur Performance die Melodie und die Harmonien der Pfingstsequenz. In einer sphärischen Luftigkeit setzte er die Töne in den Raum, gerade so wie Ortrud Heskamp sie improvisierend modulierte. Denn auch die Freiheit gehörte zu der pfingstlichen Performance, den Gesang zuweilen erst im Augenblick zu formen. Konzentriert hörten dabei beide, Organist und Sängerin, aufeinander.