Augsburger Allgemeine (Land West)
Freiheitsliebe führt ins Gefängnis
Prozess Ein 36-jähriger Augsburger ist fasziniert vom Autofahren. Aber er kommt mit den Regeln nicht klar. Er stiehlt einen Autoschlüssel und das Schicksal nimmt seinen Lauf
Die Zeiten milder Strafen sind für den Angeklagten jetzt vorüber
Seine Sehnsucht nach Freiheit hat gestern einem 36-jährigen Mann aus Augsburg vor dem Amtsgericht eineinhalb Jahre Haftstrafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Diebstahl und Missbrauchs von Kennzeichen eingebracht.
Ein Auto zu fahren, das sei für ihn „mehr“. Mehr als nur von hier nach dort zu kommen, schilderte der angeklagte Lagerist dem Gericht. Autofahren gebe ihm ein Freiheitsgefühl, ein Auto zu besitzen, zeige außerdem, dass man es geschafft habe. Doch der 36-Jährige hatte nicht nur ein Problem: Bereits im Jahr 2002 war ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden – zu viele Punkte plus eine Unfallflucht, bestätigte er. Anschluss-Problem: Immer wieder setzte sich der Mann dennoch hinter das Steuer, sammelte inzwischen acht einschlägige Vorstrafen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Zur Verhandlung seiner jüngsten Taten wurde der alleinerziehende Vater dreier Kinder nun sogar aus der Haftanstalt Kaisheim vorgeführt, wo er derzeit wegen eines vorangegangenen Delikts sitzt. Im vergangenen November und Januar war er erneut ohne Führerschein am Steuer seines Autos aufgefallen. Um weniger aufzufallen, hatte er das bereits zuvor entstempelte Kennzeichen an das nicht versicherte Auto geschraubt. Dann, so der Angeklagte, entdeckte er eines Tages beim Inspizieren abgestellter Fahrzeuge auf dem Hof eines Gögginger Autohauses einen außen in der Fahrzeugtür steckenden Schlüssel. Den nahm er an sich, um später auch das Auto im Wert von 21000 Euro mitzunehmen. Aber: In München wurde er geblitzt, der Diebstahl flog schnell auf.
Vor Gericht gestand der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Delikte. „Ich weiß nicht, was mich da geritten hat“, suchte er gegenüber Richter Fabian Espenschied nach einer Erklärung für sein Tun.
Staatsanwältin Anna Banks anerkannte zwar das Geständnis des Angeklagten und den Versuch, seine Probleme mit einer Therapie in den Griff zu bekommen, sie konnte aber keine positive Sozialprognose stellen. „Hohe kriminelle Energie, hohen Schaden“, attestierte sie ihm. Immerhin hatte der Angeklagte neben den acht Voreintragungen wegen Verkehrsverstößen auch noch acht Betrugs- und Urkundenfälschungsdelikte zu Buche stehen. Sie forderte 18 Monate Haft. Stefan Mittelbach, Verteidiger des 36-Jährigen, wollte es bei einem Jahr bewendet wissen.
Richter Espenschied verwies in seinem Urteil auf die hohe Rückfallgeschwindigkeit bei dem Angeklagten. Aus seiner Sicht seien die Zeiten milder Strafen für ihn vorüber. Er verurteilte den Angeklagten zu 18 Monaten Haft und verhängte darüber hinaus eine zweijährige Sperre für eine neue Erteilung des Führerscheins. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Nach der Haftentlassung wird der Angeklagte Gelegenheit haben, zunächst seinen Therapieerfolg als Fußgänger, Radfahrer oder Straßenbahnpassagier zu testen.