Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie eine Katastrophe Diedorf verändert hat
Hochwasserschutz 15 Jahre nach der Flut gibt es ein neues Bewusstsein. Warum zwei Rückhaltebecken aber noch fehlen
Lettenbach und Anhauser Bach – zwei kleine Gewässer durch Diedorfer Gemeindegebiet schwollen vor 15 Jahren am 7. Juni zur Flut an – und rissen drei Menschen mit in den Tod. Wie war es zu diesem extremen Wetter gekommen? Klaus Hager aus Neusäß, einst als Meteorologe auf dem Militärflughafen am Lechfeld tätig, muss da nicht einmal in seinen Unterlagen nachsehen. Im Frühsommer 2002 war der Boden im westlichen Landkreis Augsburg bereits von reichlichen Regenfällen durchnässt. „In diesem Zustand kann der Boden ohnehin nicht mehr viel Wasser aufnehmen“, sagt er.
Und dann kam dieses außergewöhnliche Gewitter dazu. „Das war ein stationäres Gewitter, das nicht weiterzog“, erklärt Hager. Ein Schwerpunkt lag über Straßberg und Burgwalden, oberhalb eines v-förmigen Tals, das seine Spitze in der Ortschaft Diedorf hat. Zwischen 100 und sogar 120 Liter Wasser gingen damals pro Quadratmeter nieder, „so ein Gewitter kann der Boden ohnehin nicht aufnehmen“, so Hager. Nicht nur durch den Anhauser Bach, sondern auch über die Wald- und Wiesenflächen schoß das Wasser in Massen in Richtung Alt-Diedorf rund um den Müllerweg. Im Ortsteil Lettenbach kam hinzu, dass der kleine Bach teilweise in Rohre verlegt worden war, als der Ort in den Jahrzehnten zuvor immer stärker wuchs. Weil das Rohr an jenem Tag durch Treibgut teilweise verstopft war, suchte sich das Wasser einen anderen Ablauf: direkt über die Lettenbachstraße. Hier kam es zur Katastrophe, als zwei Männer in einer Tiefgarage eingeschlossen wurden und sich nicht mehr befreien konnten. Sie ertranken.
In Diedorf war es dieses Ereignis, das für ein neues Bewusstsein beim Hochwasserschutz sorgte. Schon wenige Monate nach der Überschwemmung wurden kleinere Umbauarbeiten beschlossen, Kanäle aufgeweitet und Einlässe neu bemessen. Rückgängig gemacht werden konnte die Verrohrung des Lettenbachs freilich nicht mehr, immerhin lag darüber inzwischen ein ganzer Ortsteil. Der mögliche Ausweg: Das Wasser auf geeigneten Flächen zu stauen und so für einen langsameren, geregelten Abfluss zu sorgen. „Hochwasserschutz ist immer ein Kompromiss zwischen den Interessen des Umweltschutzes, der Landwirtschaft und der betroffenen Anwohner“, beschreibt Anna Röder, im Rathaus Diedorf seit vielen Jahrzehnten die Fachfrau für Umweltfragen.
Aber Bauwerke sind nur ein Baustein im Mosaik der Schutzmaßnahmen. Eine geeignete Katastrophenplanung oder auch Information der seien genauso wichtig, so Anna Röder.
Manchmal ist der passende Kompromiss gar nicht so leicht zu finden. Im Wald im Oberlauf des Lettenbachs ist zwar schon vor Jahren ein Rückhaltebecken entstanden, das etwa 20 000 Kubikmeter Wasser fasst. Doch für den Ortsteil Lettenbach kann der Schutz vor Hochwasser erst vollständig sein, wenn auch das zweite Becken, das etwa doppelt so groß werden soll, ausgebaut werden kann. Eigentlich sollte dieses Becken längst fertig sein. Doch bis heute fehlen der Marktgemeinde Diedorf die Grundstücke. Gegen Bargeld seien Grundstücke im Moment ohnehin kaum zu haben, zu Bürgermeister Peter Högg. Allein Land im Tausch würde noch akzeptiert, dieses Vorgehen hatte der Besitzer eines nötigen Grundstücks damals in einem Brief an die Verwaltung von Diedorf deutlich gemacht. Schließlich seien geeignete Flächen für ihn eine Existenzfrage. Die Verhandlungen gehen weiter.
Um Diedorf aus Richtung Anhausen zu schützen, ist dort am Engelshofer Bach in Anhausen das bislang größte Becken entstanden. 180 000 Kubikmeter Wasser können hier zurückgehalten werden. Bei Webers Brünnele im Anhauser Tal fehlt nun noch das letzte große Vorhaben im Hochwasserschutz. Etwa 500 000 Kubikmeter sollte das BeAnwohner cken bei Webers Brünnele zunächst fassen, heute rechnet Ingenieur Michael Spannring damit, dass 300000 Kubikmeter ausreichen, um ein sogenanntes hundertjährliches Regenereignis aufhalten zu können.
Nicht, weil es weniger regnet. „Aber die Computerprogramme sind in den vergangenen 15 Jahren viel besser und genauer geworden. Sie berechnen jetzt anders“, sagt Anna Röder. Begeistert sind die Eigentümer der nötigen landwirtschaftlichen Flächen für das Projekt nicht, das wurde auf der jüngsten Bürgerversammlung in Anhausen deutlich. Auch Johann Kemter (WfD) stellte auf einer Gemeinderatssitzung zum Thema die Frage in den Raum, ob denn nun nicht eventuell auch die bereits bestehenden Becken zu groß bemessen seien. Zumindest könnte es sein, so Joachim Häusler vom Wasserwirtschaftsamt in Donauwörth auf derselben Sitzung, dass das Gewitter vom Juni 2002 durchaus ein „Über-100-jährliches Ereignis“war. Als Daseinsvorsorge könne man aber nicht auf den Baustein Regenrückhalt bei Webers Brünnele verzichten.
Meteorologe Klaus Hager warnt ebenfalls. Der 7. Juni 2002 sei sicher ein außergewöhnliches Ereignis gewesen. „Aber man weiß eben nie, wann der nächste Jahrhundertregen kommt. Das kann nach drei Generationen ebenso sein, wie schon nach fünf Jahren.“