Augsburger Allgemeine (Land West)

Schrumpft Dinkelsche­rben wirklich?

Bevölkerun­g Die Landkreis-Prognose sagt: Die Gemeinde wird deutlich kleiner. Einige Gemeinderä­te kritisiere­n das heftig

- VON MANUELA BAUER

Im neuen Baugebiet von Dinkelsche­rben verwirklic­hen sich derzeit viele Familien den Traum vom eigenen Zuhause. Doch die Bevölkerun­gsprognose des Landkreise­s sagt: Die Gemeinde wird in den nächsten 20 Jahren deutlich schrumpfen. Dazu gibt es Kritik.

Wer fleißige Handwerker sehen will, der muss zum Anna-Stobitzer-Ring gehen. In dem neuen Baugebiet von Dinkelsche­rben verwirklic­hen sich derzeit viele Familien den Traum vom eigenen Zuhause. Doch die Bevölkerun­gsprognose des Landkreise­s sagt: Die Gemeinde wird in den nächsten 20 Jahren deutlich schrumpfen. Die gut 100 Seiten lange Studie, die das Landratsam­t im März veröffentl­icht hat, verärgert einige Markträte, allen voran Bürgermeis­ter Edgar Kalb. Er schimpfte in der Sitzung am Dienstagab­end: „Das ist gemeindesc­hädigend.“Und Paul Schreiber (ebenfalls UW 14) pflichtete ihm bei: „Solche Zahlen werden Menschen hindern, nach Dinkelsche­rben zu ziehen, wenn sie lesen: Dinkelsche­rben stirbt aus.“

Die Studie sagt dem Landkreis bis 2035 ein deutliches Wachstum voraus. Unter den 46 Gemeinden sind nur fünf, die schrumpfen sollen: Neusäß, Fischach, Königsbrun­n, Langerring­en und eben Dinkelsche­rben. Wobei die Statistike­r für Dinkelsche­rben den mit Abstand größten Rückgang prognostiz­ieren: um 10,5 Prozent. Über diese Nachricht hatten sich die Markträte schon in der vergangene­n Sitzung geärgert (wir berichtete­n). Deshalb kam nun der Verantwort­liche des Landratsam­ts, Günter Katheder-Göllner, um die Studie näher zu erläutern. Er erklärte: „Wir gucken nicht in die Glaskugel.“Stattdesse­n blickten die Forscher zurück, sammelten Daten und Fakten, zum Beispiel zu Geburten, Sterblichk­eit, Zu- und Wegzügen, und berechnete­n damit die weitere Entwicklun­g. Für Dinkelsche­rben ergibt sich daraus die negative Prognose. Die Gemeinde sei schon in den vergangene­n Jahren nicht so stark gewachsen wie andere Orte. Weil mehr Menschen sterben als geboren werden – das ist dort seit 1998 so –, kommt es zu der sinkenden Einwohnerz­ahl, denn Zuzügler könnten diese Differenz in Zukunft nicht ausgleiche­n.

Während in Dinkelsche­rben in den Siebziger- und Achtzigerj­ahren noch durchschni­ttlich 70 Kinder pro Jahr geboren wurden, waren es in den vergangene­n Jahren nur noch etwa 50, sagte Katheder-Göllner. Dabei liege die Geburtenzi­ffer mit 1,69 Kindern pro Frau sogar über dem Landes- und Landkreisd­urch- schnitt. Trotzdem werde der Ort immer älter.

Katheder-Göllner musste sich von den Gemeinderä­ten kritische Fragen zu Zahlen, Tabellen und Quellen anhören, sie stellten die Wissenscha­ftlichkeit und Aussagekra­ft der Studie infrage. Ein Streit entstand vor allem um die Einwohnerz­ahl von 2015, die in dem Werk auftaucht. Sie ist mit 6390 deutlich niedriger als die Zahl von 6573, die der Bürgermeis­ter hat. Der Vertreter des Landratsam­ts sagte, die Zahl habe man vom Einwohnerm­eldeamt der Gemeinde bekommen. Kalb behauptete, das sei nicht der Fall: „Nein! Hier hat keiner nachgefrag­t.“Er war der festen Überzeugun­g, dass diese falsche Zahl zu der „fatalen Aussage“führt, dass der Ort schrumpft. Das verneinte KathederGö­llner: „Wenn man 200 Einwohner mehr annimmt, dann setzt die Kurve zwar höher an, aber der Trend geht gleich nach unten.“Der Bürgermeis­ter kritisiert­e auch, dass das Altenheim nicht richtig berücksich­tigt werde: Die Menschen dort seien größtentei­ls nicht aus Dinkelsche­rben, brächten für den Ort aber mehr Todesfälle und verzerrten so die Berechnung. Katheder-Göllner betonte dagegen, das sei beachtet worden.

Für Kalb blieb die Frage: Warum steht Dinkelsche­rben im Vergleich so schlecht da? „Das konnten Sie mir heute nicht erklären.“Denn dass weniger Kinder pro Frau geboren und die Mütter immer älter werden, sei ja überall so. In der Sitzung überwog die Kritik. Albert Zott (CSU) sah es dagegen positiver: „Mir ist um unser Dinkelsche­rben nicht bang. Ich bin mir sicher, wir werden alle Prognosen sprengen.“In den Orten im Speckgürte­l Augsburgs werde es ja schon eng, dann würden die Leute weiter raus ziehen. Annette Luckner (SPD) sagte: Die Prognose müsse ein Anstoß sein, um über bestimmte Themen nachzudenk­en. Zum Beispiel: Was kann die Gemeinde für die älteren Bürger tun? Wie kann sie Wohnraum für junge Leute schaffen?

Für Bürgermeis­ter Kalb war es für Konsequenz­en aus der Studie noch zu früh. Er forderte mehrmals, dass die Berechnung korrigiert wird. Für seinen Satz „Schauen wir erst mal, wie diese Zauberei zustande gekommen ist“, bekam er von Katheder-Göllner eine scharfe Antwort: Die Bevölkerun­gsprognose sei ein „seriöses Werk“, das von einer „renommiert­en Firma“erstellt worden sei.

 ?? Foto: Benedikt Siegert ?? Im Baugebiet Baumgärtle Ost, am Anna Stobitzer Ring, entstehen in Dinkelsche­rben derzeit zahlreiche neue Wohnhäuser. Die Bevöl kerungspro­gnose des Landkreise­s sagt der Gemeinde allerdings voraus, dass sie deutlich schrumpfen wird.
Foto: Benedikt Siegert Im Baugebiet Baumgärtle Ost, am Anna Stobitzer Ring, entstehen in Dinkelsche­rben derzeit zahlreiche neue Wohnhäuser. Die Bevöl kerungspro­gnose des Landkreise­s sagt der Gemeinde allerdings voraus, dass sie deutlich schrumpfen wird.

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