Augsburger Allgemeine (Land West)

Trump ist getroffen, aber nicht k.o.

Analyse Der US-Präsident steht als Lügner da. Aber ob er etwas Strafbares getan hat, ist unklar. Er zeigt Nehmerqual­itäten – und ist noch lange nicht in einer Situation wie Richard Nixon

- VON WINFRIED ZÜFLE

Augsburg

So lange hält er selten den Mund. Oder – besser gesagt – den Finger still. US-Präsident Donald Trump, der sein Herz regelmäßig in die 140 Zeichen gießt, die für eine Kurzmittei­lung auf Twitter zur Verfügung stehen, schwieg. Er verkniff sich jeden Kommentar, während am Donnerstag der von ihm gefeuerte FBI-Chef James Comey vor dem US-Senat aussagte und ihn offen der Lüge bezichtigt­e. Er twitterte auch am Abend nicht. Erst gestern früh meldete er sich in triumphale­m Ton: „Trotz so vieler falscher Erklärunge­n und Lügen eine vollständi­ge und umfassende Rehabilita­tion“, ließ der Präsident wissen, „und, wow, Comey ist ein Durchstech­er!“

Trump ist offenbar fest überzeugt, dass er die Affäre unbeschade­t überstande­n hat. Mit dem Stigma „Lügner“, so scheint es, kann er leben – es genügt ihm, den Vorwurf zurückzuge­ben und Comey seinerseit­s Lügen zu unterstell­en. Die Unwahrheit zu sagen, ist nicht ehrenhaft – aber mit Strafe ist es nicht belegt. Was soll sich Trump, der Mann mit dem ohnehin zweifelhaf­ten Ruf, groß darum scheren? Schon im Wahlkampf hatte er sich mit Falschinfo­rmationen und Lügen hervorgeta­n – und grundsätzl­ich nichts zurückgeno­mmen.

Was stimmte nicht an Trumps Behauptung­en im Fall Comey? Der geschasste Beamte spricht im Zusammenha­ng mit seiner Entlassung von „Lügen, schlicht und einfach“. Weder habe gestimmt, wie von Trump als Entlassung­sgrund genannt, dass sich das FBI in katastroph­aler Verfassung befunden, noch dass er, Comey, das Vertrauen seiner Mitarbeite­r verloren habe. Aus dem Weißen Haus hieß es noch am Abend dazu: „Der Präsident ist kein Lügner“– auf Details wollte die Sprecherin nicht eingehen. Und auch Trump tut dies in seinem gestrigen Tweet nicht.

Seine Genugtuung schöpft der Präsident aus der Aussage Comeys, gegen ihn seien keine Ermittlung­en des FBI im Gange gewesen. Damit ist die Spekulatio­n vom Tisch, Trump könne den Behördench­ef entlassen haben, um ein Verfahren gegen sich selbst zu verhindern. Das wäre unzulässig gewesen. Insofern kann er Comey als Kronzeugen für seine Entlastung in Anspruch nehmen.

Aber als justiziabe­l könnte sich etwas anderes herausstel­len: dass sich Comey unter Druck gesetzt fühlte, Ermittlung­en gegen die in die Russland-Affäre verstrickt­en Trump-Mitarbeite­r einzustell­en. Zwar behauptete Comey nicht, der Präsident habe dies explizit angeordnet oder gefordert. Doch es kam zu seltsamen Begegnunge­n: Trump soll mögliche Zeugen aus dem Saal geschickt und an Comeys Loyalität appelliert haben – wobei der FBIChef eine Behörde leitete, die notfalls auch gegen die Regierung ermitteln muss. Stellte dieses Verhalten bereits Justizbehi­nderung dar – ein Vorwurf, der 1974 in der Watergate-Affäre US-Präsident Richard Nixon zum Rücktritt bewegte? Bewerten wollte Comey die Vorgänge nicht. Dies sei Sache von Sonderermi­ttler Robert Mueller, sagte er.

Es kann also durchaus noch einiges auf Trump zukommen. Vielleicht aber auch auf Comey. Denn dieser hat zugegeben, interne Informatio­nen an die Öffentlich­keit durchgesto­chen zu haben, um die Einsetzung des Sonderermi­ttlers zu erzwingen.

Doch zu Trump steht das Gros seiner Wähler in unverbrüch­licher Treue. Noch während der Senat Comey anhörte, erschien der 45. USPräsiden­t auf der Konferenz eines christlich-evangelika­len Verbands in Washington und ließ sich feiern. „Wir befinden uns im Belagerung­szustand. Aber ihr werdet sehen: Wir werden daraus größer, besser und stärker als je zuvor hervorkomm­en!“rief er seinen Fans zu.

Belagerung­szustand? Daraus kann leicht Wagenburgm­entalität entstehen. Das war ein Merkmal der

 ?? Foto: imago ?? Manche finden Trump immer noch gut – wie Bürgermeis­terin Acquanetta Warren aus Fontana (Kalifornie­n) bei einer Konferenz im Weißen Haus.
Foto: imago Manche finden Trump immer noch gut – wie Bürgermeis­terin Acquanetta Warren aus Fontana (Kalifornie­n) bei einer Konferenz im Weißen Haus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany