Augsburger Allgemeine (Land West)

Wem gehört der Helmut-Haller-Platz?

Debatte Seit Jahren sorgen die Drogen- und Alkoholkra­nken vor dem Oberhauser Bahnhof für Diskussion­en. Jetzt nahmen Studenten den Ort unter die Lupe. Wie die Stadt die Situation verbessern will

- VON ANDREA BAUMANN bau@augsburger allgemeine.de

Kati Wimmer kennt die Szene am Helmut-Haller-Platz seit fast zehn Jahren. Die Streetwork­erin der Drogenhilf­e Schwaben kümmert sich mit Kollegen des Sozialverb­ands SKM um Menschen, die dort nicht gern gesehen sind – die Drogen- und Alkoholkra­nken. Manchmal muss sie sich vor Außenstehe­nden für ihren Job sogar rechtferti­gen. Warum sie überhaupt Geld bekomme, wo sich hier doch gar nichts zum Positiven verändere, wird sie schon mal angefrotze­lt.

Tatsächlic­h vergeht vor dem Oberhauser Bahnhof kaum ein Tag ohne Polizei- und Notarztein­sätze. Das veränderte Drogenkons­umverhalte­n (etwa durch die zunehmende Beliebthei­t von sogenannte­n „Badesalzen“) fordert hier seinen Tribut und lässt die Abhängigen reihenweis­e umkippen.

Man muss weder Sozialpäda­gogin noch Soziologe sein, um sich eine Meinung über den Platz mit der dort ansässigen Szene zu bilden. Das Areal ist jedoch ein dankbares Betätigung­sfeld für all jene, die mit wissenscha­ftlichen Methoden das Zusammenle­ben von Menschen untersuche­n. Genau das haben jetzt 17 Studierend­e der Uni Augsburg unter Leitung von Dr. Alexander Jungmann getan. Sie nahmen den Treff- und Verkehrskn­otenpunkt im Rahmen eines einjährige­n Forschungs­projektes aus mehreren Perspektiv­en unter die Lupe. Sie sprachen mit Experten, Politikern, sie teilten den Platz in die verschiede­nen Nutzungsbe­reiche auf. Und sie kamen auf dem ehemaligen Spielplatz hinter dem Bahnhofsge­bäude mit den Süchtigen in Kontakt, die sie als „ganz unterschie­dlich und offen“wahrnahmen. Zur Präsentati­on der Ergebnisse unter dem Motto „Helmut-Haller-Platz für alle?“waren zahlreiche Personen gekommen, die mit der Thematik vertraut sind – etwa Politiker, Anwohner und Streetwork­er.

Sie bekamen keine grundlegen­d neuen Erkenntnis­se zum Oberhauser Brennpunkt geliefert. Auch die Empfehlung der jungen Foreinem scher, den Platz stärker zu beleben, um ihn zu einem Ort für alle Bevölkerun­gsgruppen zu machen, ist nicht neu. Seit Jahren mühen sich beispielsw­eise die Arge Oberhausen und der Gastronom Bob’s mit Veranstalt­ungen wie Kirschblüt­enfest oder Sommer am Kiez, den Platz in ein besseres Licht zu rücken.

Der Notarzt rückt dennoch weiterhin regelmäßig an. Die Tatsache, dass die Polizei den Platz nicht als Kriminalit­ätsschwerp­unkt einstuft, vermag die Bevölkerun­g nicht zu beruhigen. Stadtrat Peter Grab sowie Anna Tabak von der Wählergrup­pierung „Wir sind Augsburg“(WSA) starteten deshalb kürzlich bei einem Bürgertref­f im Bahnhofsge­bäude eine Unterschri­ftenaktion. Sie fordern darin die schnellstm­ögliche Umsetzung eines Gesamtkonz­epts für den Platz – angefangen bei baulichen und pflegerisc­hen Maßnahmen bis hin zu Einsatzpla­n für die Betreuer. Dieses Gesamtkonz­ept gibt es bereits. Laut Ordnungsre­ferent Dirk Wurm wurden einige Punkte daraus umgesetzt, weitere Maßnahmen sollen folgen. Von einer „Verschlimm­erung der Situation“aktuell will der Referent nicht sprechen. Eher sei das Gegenteil der Fall. „Durch den Biergarten von Bob’s hat der Platz auf jeden Fall gewonnen.“Dieser ist Schauplatz für das Festival „Sommer am Kiez“vom 22. Juni bis 29. Juli.

Für Entspannun­g am Oberhauser Bahnhof soll zudem ein betreuter Treffpunkt für die Suchtkrank­en sorgen. Die Drogenhilf­e und der Sozialverb­and SKM werden das im Vorfeld kontrovers diskutiert­e Angebot für die Stadt betreiben. Die Stadt hat dafür mehrere Immobilien in der Nähe des Platzes im Auge. Der Ordnungsre­ferent geht davon aus, dass in den nächsten Wochen eine Entscheidu­ng fällt. Die Räume – von Wurm als Café, von anderen als „Trinkerstu­be“bezeichnet – sollen je nach Umfang der Sanierungs­arbeiten im Herbst oder Frühwinter 2017 eröffnet werden. Dass dadurch die Szene völlig vom Oberhauser Bahnhof verschwind­et, ist unrealisti­sch. Busse, Straßenbah­nen und Züge halten dort nahezu rund um die Uhr und lassen die Frauen und Männer aussteigen, die von der Drogenklin­ik am Bezirkskra­nkenhaus kommen oder den nahegelege­nen Substituti­onsarzt aufsuchen. Oder die sich einfach zwanglos treffen wollen, ohne betreut zu werden. Dennoch: Die Suchtkrank­en sehen das geplante Angebot nach Einschätzu­ng von Kati Wimmer positiv: „Sie merken, dass etwas für sie getan wird.“

Was den Helmut-Haller-Platz angeht, appelliert die Streetwork­erin der Drogenhilf­e an Außenstehe­nde, der Szene „respektvol­l“zu begegnen, auch wenn man persönlich derartige Lebensentw­ürfe nicht gutheißt. Mit einer mobilen Suppenküch­e haben vor einigen Wochen Jugendlich­e der nahegelege­nen Kapellen-Schule eindrucksv­oll gezeigt, wie dies aussehen kann.

Das Grundprobl­em aber bleibt, weil es in Großstädte­n immer Treffpunkt­e von Randgruppe­n geben wird. Dazu zählt in Augsburg neben dem Oberhauser Bahnhof auch der Königsplat­z.

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