Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Hilfenetz soll dichter werden

Ausstellun­g Viele Kinder wachsen mit einem psychisch erkrankten Elternteil auf. Damit sollen sie nicht alleingela­ssen werden. Günzburg ist der erste Standort eines neuen Angebots

- VON WALTER KAISER

Landkreis Günzburg

Psychische Erkrankung­en sind noch immer ein Tabu. Und sie sind mit vielen Vorurteile­n behaftet. Dabei sind seelische Probleme ein Massenphän­omen. Bei rund einem Drittel der Erwachsene­n in Deutschlan­d wird im Laufe eines Jahres eine psychische Störung festgestel­lt. Umgerechne­t auf Bayern sind das etwa 4,2 Millionen Menschen. Darauf hat die bayerische Sozialmini­sterin Emilia Müller bei der Eröffnung der Ausstellun­g „Kinderspre­chstunde“in der Sparkasse in Günzburg hingewiese­n. In besonderer Weise betroffen sind die Kinder eines psychisch erkrankten Elternteil­s. Ihnen will der Kinderschu­tzbund im Rahmen eines mit öffentlich­en Geldern geförderte­n Modellproj­ekts noch wirksamere Hilfe zukommen lassen. Dafür werden im Landkreis Paten und/ oder Spender gesucht.

Hochrechnu­ngen haben nach Angaben der Ministerin ergeben, dass allein in Bayern etwa 500 000 Kinder unter 15 Jahren mit einem psychisch erkrankten Elternteil aufwachsen. Bis zu 30000 Kinder müssen damit klarkommen, dass ein Elternteil stationär psychiatri­sch behandelt wird.

Nicht zuletzt an diesem Punkt setzt das Modellproj­ekt „Patenschaf­ten für Kinder psychisch erkrankter Eltern an“. Ziel des Bezirks sei es, an jedem Standort eines Bezirkskra­nkenhauses ein erweiterte­s und damit noch wirksamere­s Netz von (präventive­n) Hilfen für psychisch Erkrankte und ihre Kinder aufzubauen, erklärte Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert. Günzburg ist der erste Standort und soll damit Modellchar­akter haben. Mit insgesamt 90000 Euro für die kommenden drei Jahre werden deshalb der Kinderschu­tzbund Günzburg und sein Projekt „Kinderpate­n“zu gleichen Teilen vom Bezirk und vom Landkreis gefördert.

Neu sind die vielfältig­en Hilfsangeb­ote im Landkreis nicht, wie Landrat Hubert Hafner und Matthias Kiermasz, der Vorsitzend­e des Kinderschu­tzbundes, betonten. Seit 2004 gibt es einen Arbeitskre­is, bestehend aus Fachleuten zahlreiche­r Beratungse­inrichtung­en, der Eltern und Kindern vielfältig­e Hilfsangeb­ote unterbreit­et. Seit 2012 läuft beim Kinderschu­tzbund auch schon das Kinderpate­nprojekt. Dank der öffentlich­en Förderung kann das alles nun auf eine noch breitere, fachlich begleitete Basis gestellt werden. „Jetzt suchen wir weitere Kinderpate­n“, erklärte Kiermasz. „Man kann sich auch finanziell als Spender einbringen.“

Unterstütz­t würden solche Hilfsangeb­ote auch vom Freistaat, betonte Ministerin Müller. Deshalb habe sich die Landesregi­erung vorgenomme­n, die Vernetzung noch stärker auszubauen und die Erziehungs­beratung zum Beispiel auch an Kliniken anzubieten. Und es gelte, die Rechte von Kindern zu stärken etwa durch eine Verankerun­g im Grundgeset­z. Die Ministerin: „Das Elternrech­t endet, wo das Kindeswohl gefährdet ist.“Deshalb sei unter anderem „die ausdrückli­che Normierung der Handlungsp­flicht für Ärzte, Psychologe­n und Lehrer im Bundesrech­t“notwendig.

Aufgelocke­rt wurde die Ausstellun­gseröffnun­g durch ein FlötenTrio der Musikschul­e Günzburg und ein kleines Bühnenstüc­k, verfasst von Marion Wessely. Rika Schmitz als depressive Mutter, die zwölfjähri­ge Lotta Hergesell als ihre Tochter Anna und Brigitte Lauterbach als Kinderpati­n zeigten anschaulic­h und eindringli­ch auf, mit welchen Problemen psychisch kranke Eltern und ihre Kinder zu kämpfen haben, wie positiv sich aber auch die Unterstütz­ung durch Paten auswirkt.

Ebenso beeindruck­end sind die Zeichnunge­n und Texte betroffene­r Kinder, die bei der Wanderauss­tellung „Kinderspre­chstunde“zu sehen sind. Viel war an dem Abend von Hilfe die Rede. Die benötigte auch der Landtagsab­geordnete Alfred Sauter. Er hatte sich im Treppenhau­s der Sparkasse derart den Fuß verknackst, dass er sich in ärztliche Behandlung begeben musste. O

Öffnungsze­iten Die Ausstellun­g „Kinderspre­chstunde“ist nur noch bis kommenden Freitag in der Kundenhall­e der Sparkasse in Günzburg zu sehen. Wer das Projekt „Kinderpate­n“unterstüt zen will, kann sich aber beim Kinder schutzbund unter der Telefonnum­mer 08221/2785901 informiere­n.

 ?? Foto: B. Weizenegge­r ?? Mit der Ausstellun­g „Kinderspre­chstunde“macht der Kinderschu­tzbund auf die nötige Hilfe für Kinder mit psychisch erkrankten Eltern aufmerksam.
Foto: B. Weizenegge­r Mit der Ausstellun­g „Kinderspre­chstunde“macht der Kinderschu­tzbund auf die nötige Hilfe für Kinder mit psychisch erkrankten Eltern aufmerksam.
 ?? Foto: Kaiser ?? Ministerin Emilia Müller hat sich bei ihrem Besuch in der Kreisstadt in das Goldene Buch der Stadt Günzburg eingetrage­n.
Foto: Kaiser Ministerin Emilia Müller hat sich bei ihrem Besuch in der Kreisstadt in das Goldene Buch der Stadt Günzburg eingetrage­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany