Augsburger Allgemeine (Land West)
Das Hilfenetz soll dichter werden
Ausstellung Viele Kinder wachsen mit einem psychisch erkrankten Elternteil auf. Damit sollen sie nicht alleingelassen werden. Günzburg ist der erste Standort eines neuen Angebots
Landkreis Günzburg
Psychische Erkrankungen sind noch immer ein Tabu. Und sie sind mit vielen Vorurteilen behaftet. Dabei sind seelische Probleme ein Massenphänomen. Bei rund einem Drittel der Erwachsenen in Deutschland wird im Laufe eines Jahres eine psychische Störung festgestellt. Umgerechnet auf Bayern sind das etwa 4,2 Millionen Menschen. Darauf hat die bayerische Sozialministerin Emilia Müller bei der Eröffnung der Ausstellung „Kindersprechstunde“in der Sparkasse in Günzburg hingewiesen. In besonderer Weise betroffen sind die Kinder eines psychisch erkrankten Elternteils. Ihnen will der Kinderschutzbund im Rahmen eines mit öffentlichen Geldern geförderten Modellprojekts noch wirksamere Hilfe zukommen lassen. Dafür werden im Landkreis Paten und/ oder Spender gesucht.
Hochrechnungen haben nach Angaben der Ministerin ergeben, dass allein in Bayern etwa 500 000 Kinder unter 15 Jahren mit einem psychisch erkrankten Elternteil aufwachsen. Bis zu 30000 Kinder müssen damit klarkommen, dass ein Elternteil stationär psychiatrisch behandelt wird.
Nicht zuletzt an diesem Punkt setzt das Modellprojekt „Patenschaften für Kinder psychisch erkrankter Eltern an“. Ziel des Bezirks sei es, an jedem Standort eines Bezirkskrankenhauses ein erweitertes und damit noch wirksameres Netz von (präventiven) Hilfen für psychisch Erkrankte und ihre Kinder aufzubauen, erklärte Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert. Günzburg ist der erste Standort und soll damit Modellcharakter haben. Mit insgesamt 90000 Euro für die kommenden drei Jahre werden deshalb der Kinderschutzbund Günzburg und sein Projekt „Kinderpaten“zu gleichen Teilen vom Bezirk und vom Landkreis gefördert.
Neu sind die vielfältigen Hilfsangebote im Landkreis nicht, wie Landrat Hubert Hafner und Matthias Kiermasz, der Vorsitzende des Kinderschutzbundes, betonten. Seit 2004 gibt es einen Arbeitskreis, bestehend aus Fachleuten zahlreicher Beratungseinrichtungen, der Eltern und Kindern vielfältige Hilfsangebote unterbreitet. Seit 2012 läuft beim Kinderschutzbund auch schon das Kinderpatenprojekt. Dank der öffentlichen Förderung kann das alles nun auf eine noch breitere, fachlich begleitete Basis gestellt werden. „Jetzt suchen wir weitere Kinderpaten“, erklärte Kiermasz. „Man kann sich auch finanziell als Spender einbringen.“
Unterstützt würden solche Hilfsangebote auch vom Freistaat, betonte Ministerin Müller. Deshalb habe sich die Landesregierung vorgenommen, die Vernetzung noch stärker auszubauen und die Erziehungsberatung zum Beispiel auch an Kliniken anzubieten. Und es gelte, die Rechte von Kindern zu stärken etwa durch eine Verankerung im Grundgesetz. Die Ministerin: „Das Elternrecht endet, wo das Kindeswohl gefährdet ist.“Deshalb sei unter anderem „die ausdrückliche Normierung der Handlungspflicht für Ärzte, Psychologen und Lehrer im Bundesrecht“notwendig.
Aufgelockert wurde die Ausstellungseröffnung durch ein FlötenTrio der Musikschule Günzburg und ein kleines Bühnenstück, verfasst von Marion Wessely. Rika Schmitz als depressive Mutter, die zwölfjährige Lotta Hergesell als ihre Tochter Anna und Brigitte Lauterbach als Kinderpatin zeigten anschaulich und eindringlich auf, mit welchen Problemen psychisch kranke Eltern und ihre Kinder zu kämpfen haben, wie positiv sich aber auch die Unterstützung durch Paten auswirkt.
Ebenso beeindruckend sind die Zeichnungen und Texte betroffener Kinder, die bei der Wanderausstellung „Kindersprechstunde“zu sehen sind. Viel war an dem Abend von Hilfe die Rede. Die benötigte auch der Landtagsabgeordnete Alfred Sauter. Er hatte sich im Treppenhaus der Sparkasse derart den Fuß verknackst, dass er sich in ärztliche Behandlung begeben musste. O
Öffnungszeiten Die Ausstellung „Kindersprechstunde“ist nur noch bis kommenden Freitag in der Kundenhalle der Sparkasse in Günzburg zu sehen. Wer das Projekt „Kinderpaten“unterstüt zen will, kann sich aber beim Kinder schutzbund unter der Telefonnummer 08221/2785901 informieren.