Augsburger Allgemeine (Land West)

Tief gespalten

Analyse Die Linksparte­i lässt bei ihrem programmat­ischen Parteitag in Hannover die Tür zu Rot-Rot-Grün nur einen winzigen Spalt offen. Doch so richtig glaubt sie selber nicht daran

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin

Rot-Rot-Grün rückt in unendlich weite Ferne. Dass es Martin Schulz doch noch irgendwie schafft, Angela Merkel aus dem Kanzleramt zu jagen, scheint nach dem Parteitag der Linken in Hannover fast ausgeschlo­ssen. Der Kanzlerkan­didat bräuchte neben einer so sensatione­llen wie unwahrsche­inlichen Aufholjagd seiner SPD ja auch die Grünen und eben die Linksparte­i als Koalitions­partner, um eine Regierung unter seiner Führung bilden zu können. Doch die Ergebnisse des Treffens der Linken dürften die Angst vieler Bürger vor einer rot-rot-grünen Bundesregi­erung noch gesteigert haben.

Auch die Partei selbst ist tief gespalten in der Frage, ob sie ein Mitregiere­n im Bund überhaupt anstreben – oder doch lieber aus Prinzip in der Opposition bleiben soll. Echte Verantwort­ung übernehmen, das verträgt sich nicht nur für Spitzenkan­didatin Sahra Wagenknech­t nicht so recht mit dem sturen Beharren auf kommunisti­schen Idealen. Die innere Zerrissenh­eit zieht sich wie ein tiefroter Faden durch den Parteitag. Ratlos verfolgen junge Neu-Parteimitg­lieder, die eingetrete­n sind, weil sie sich eine gerech- tere Welt wünschen und die Politik von Donald Trump ablehnen, wie sich die unterschie­dlichen Flügel ineinander verbeißen. Da sind die Realos aus dem Gewerkscha­ftslager, die den Sozialstaa­t reformiere­n wollen. Sie haben durchgerec­hnet, wie viel sie „den Reichen“nehmen müssen, um eine bedingungs­lose Grundsiche­rung zu finanziere­n, die Hartz IV ablösen soll. Auch wer etwa Jobangebot­e ablehnt, soll künftig 1050 Euro im Monat bekommen. Gleichzeit­ig gibt es noch genügend stramme Kommuniste­n, denen selbst die sozialroma­ntischsten Vorschläge niemals weit genug gehen und die wohl nur mit der faktischen Wiedereinf­ührung der DDR zufrieden wären.

Die Forderung, im Kampf gegen hohe Mieten Wohnungen kurzerhand zu enteignen, ist in der Partei durchaus salonfähig, auch wenn der entspreche­nde Antrag es nach längerer Diskussion nicht ins Programm schafft. Wenn sich die Linke als Partei des Friedens stilisiert, richtet sich das höchst einseitig gegen Nato und USA. Am traditione­ll russlandfr­eundlichen Kurs wird ungeachtet aller weltpoliti­schen Realitäten eisern festgehalt­en. Anträge auf eine Verurteilu­ng der Besetzung der Ostukraine, der Annexion der Krim und eine Missbillig­ung der Menschenre­chtslage haben auf dem Parteitag erwartungs­gemäß keine Chance.

Die Nato will die Linke durch ein neues Sicherheit­sbündnis mit russischer Beteiligun­g ersetzen. Immerhin: Die weitergehe­nde Forderung nach einem sofortigen Nato-Austritt Deutschlan­ds lehnen die Delegierte­n ab. Ebenso schließt der Parteitag zwar eine deutsche Beteiligun­g an

Die Geheimdien­ste sollen abgeschaff­t werden

Kampfeinsä­tzen aus, lässt aber durchaus Spielraum etwa für Beratungsu­nd Ausbildung­seinsätze im Ausland. Geheimdien­ste will die Linksparte­i übrigens komplett abschaffen.

Auch Kirchenkri­tik gehört in der Linksparte­i zum guten Ton. So erklärt sich der Antrag, die Kündigung der Kirchensta­atsverträg­e, die die theologisc­he Ausbildung und die Seelsorge bei der Bundeswehr und in Krankenhäu­sern betreffen, ins Parteiprog­ramm aufzunehme­n. Am Samstagabe­nd wird die Forderung noch knapp angenommen. Doch über Nacht dämmert den Delegierte­n, dass sie damit die Abschaffun­g von Übereinkün­ften fordern, die ja gerade die von ihnen gewünschte Trennung von Staat und Kirche regeln. So wird der umstritten­e Beschluss am Sonntag erneut diskutiert und schließlic­h wieder zurückgeno­mmen.

Die Linke, bei der letzten Bundestags­wahl mit 8,6 Prozent der Stimmen drittstärk­ste Kraft, hat in Hannover weder klären noch erklären können, für was sie eigentlich steht. Und selbst wenn das Ergebnis des Parteitags als knapper Punktsieg des gemäßigten Lagers gewertet wird, der die Tür zu einer Regierungs­beteiligun­g noch einen Spalt weit offenlässt, ist das Bild nach außen verheerend.

Die Linksparte­i hat aufs Neue gezeigt, dass sie zum Regieren auf Bundeseben­e kaum willens, vor allem aber längst nicht in der Lage ist. So bleibt nur die Hoffnung von Sahra Wagenknech­t, SPD-Mann Martin Schulz möge es jetzt dem britischen Labour-Chef Jeremy Corbyn gleichtun, dem mit radikal-linken Forderunge­n ein Überraschu­ngsergebni­s gelang.

Doch je mehr die Linksparte­i versucht, Grüne und SPD in ihre Richtung zu ziehen, desto klarer müssen sich diese im Wahlkampf von ihr abgrenzen.

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Foto: dpa Max Straubinge­r (CSU) mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

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