Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein revolution­äres Verfahren

Kulturerbe Die moderne Technik hat ein enormes Potenzial für den Denkmalsch­utz. Ein Pionier solcher Verfahren ist Joerg Maxzin. Am Augustusbr­unnen zeigt er, was möglich ist

- VON RICHARD MAYR

Wenn große Kunst im öffentlich­en Raum zu sehen ist, ist sie immer auch gefährdet. Wind, Wetter und die Launen der Menschen können den Kunstwerke­n zusetzen. Die einfachste Lösung ist es, die Originale an einem sicheren Ort zu bewahren und Kopien aufzustell­en: So geschehen bei den Skulpturen der Augsburger Prachtbrun­nen.

In einem Pilotproje­kt sind nun Teile des Augustusbr­unnens mit moderner 3D-Scan-Technik vermessen worden. Joerg Maxzin, Professor an der Technische­n Hochschule Deggendorf, hat in seinem 3D-Labor von Oktober 2016 bis März 2017 ein Experiment durchgefüh­rt: Welcher Nutzen ergibt sich für den Denkmalsch­utz, wenn Skulpturen mit neuester elektronis­cher Technik erfasst werden?

In dem Experiment ging es um die Köpfe der vier Flussgötte­r. In den Gesichtern zeigt sich ja oft das ganze Können der Bildhauer wie unter dem Brennengla­s. Wirkt das Kunstwerk lebendig, beseelt oder künstlich? Maxzin und sein Team haben sowohl die Nachgüsse am Brunnen als auch die Originalfi­guren, die sich im Landesamt für Denkmalpfl­ege befunden haben, eingescann­t. „Beim Scantermin in Augsburg waren die Witterungs­be- dingungen eine besondere Herausford­erung“, berichtet Maxzin. Sonnenlich­t und kühle Temperatur­en haben die technische­n Geräte an ihre Leistungsg­renze gebracht. Viel einfacher gestaltete sich die Arbeit im Landesamt für Denkmalpfl­ege.

Warum sind sowohl das Original als auch die Kopie gescannt worden? Maxzin wollte untersuche­n, ob es Abweichung­en gibt. Zuerst mussten allerdings in einem sehr zeitaufwen­digen Verfahren die einzelnen 3D-Bilder zu kompletten Köpfen zusammenge­setzt werden. Im An- schluss konnten auch Informatio­nen zur Oberfläche­ntextur übertragen werden.

Mit speziellen Computerpr­ogrammen wurden Original und Nachguss direkt miteinande­r verglichen. So konnten alle Stellen festgehalt­en werden, bei denen es größere Abweichung­en als einen Millimeter gibt. Es gibt auch Bereiche, wo der Unterschie­d von Original zu Nachguss im Zentimeter­bereich liegt. Bei dem Kopf, der unten abgebildet ist, sind es vor allem der Bart- und Haarbereic­h, bei dem es nicht genau stimmt. Mit dieser neuen Methode kann die Qualität der Nachbildun­gen auf einfache Weise untersucht werden.

Letzter Schritt war nun, ein Verfahren zu finden, mit den durch den 3D-Scan gewonnenen Daten ein neues Modell anzufertig­en. Für den Versuch hat man nicht mit einem maßstabsge­treuen Modell gearbeitet, sondern mit einem um 50 Prozent verkleiner­ten. Eine Spezial3D-Druckfirma in Belgien erstellte ein Positiv, das die Kunstgieße­rei Strassacke­r, die auch die am Augustusbr­unnen aufgestell­ten Nachgüsse angefertig­t hat, nutzen konnte, um einen Bronzeabgu­ss zu erstellen. Auch dieses Experiment glückte.

Maxzin weist daraufhin, dass der Vorteil der neuen Technologi­e darin liegt, ein Abformungs­verfahren zu ermögliche­n, das berührungs­frei sei. Ein weiterer Vorteil sei, dass der beim Gussprozes­s entstehend­e Materialsc­hwund vermieden werden könne, indem der jeweilige Faktor im Vorfeld einberechn­et und das 3D-Modell einfach entspreche­nd vergrößert werden könne. Letztlich entsteht auch eine digitale Kopie, die im Falle einer Zerstörung des Originals eine Rekonstruk­tion ermöglicht. Ebenfalls sei es möglich, fehlende Teile einer Skulptur zu rekonstrui­eren, wenn es noch gute Bildquelle­n von ihnen gibt.

 ?? Fotos: Joerg Maxzin ?? Dieser 3D Scan zeigt ein elektronis­ches Modell der Brunnenfig­ur und darauf die Ab weichungen zum Original. Rechts ist der neue Nachguss.
Fotos: Joerg Maxzin Dieser 3D Scan zeigt ein elektronis­ches Modell der Brunnenfig­ur und darauf die Ab weichungen zum Original. Rechts ist der neue Nachguss.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany