Augsburger Allgemeine (Land West)

Etwa 45 Bedürftige kommen jede Woche

Soziales Seit fast einem halben Jahr erhalten Menschen, die knapp bei Kasse sind, in Kruichen Lebensmitt­el. Der Bedarf ist da. Und die Verantwort­lichen sagen: Sie könnten doppelt so viele Menschen versorgen

- VON SVEN KOUKAL

Adelsried Kruichen/Welden

Den Kinderwage­n schiebt Osa Gemwrer mit der linken Hand, auf der rechten Schulter baumelt eine gefüllte Einkaufstü­te. Für den 25-Jährigen ist das Angebot im alten Wirtshaus Wimmer in Kruichen ein Segen: Jeden Freitag deckt sich der gebürtige Nigerianer bei der Weldener Tafel für seine vierköpfig­e Familie ein. Wurstaufsc­hnitt, Bananen, Radieschen und Joghurt landen dieses Mal in seiner Tasche. „Die Tafel ist ein Geschenk. Die Menschen hier sind sehr freundlich und hilfsberei­t“, sagt er.

Wie dem jungen Mann, der momentan in Bonstetten lebt und jede Woche zur Tafel nach Kruichen läuft, geht es im Holzwinkel vielen Bedürftige­n. Seit Ende Januar verteilt die Weldener Tafel gegen einen kleinen Obolus zwei Stunden lang gesammelte und gespendete Lebensmitt­el, die noch in einwandfre­iem Zustand sind. Waren es am ersten Ausgabetag im Januar noch eine Handvoll Menschen, die zur Tafel in Kruichen gingen, sind es mittlerwei­le im Schnitt bis zu 45 registrier­te Erwachsene. Der Anspruch der Tafel ist es, nicht nur Geflüchtet­en wie Osa Gemwrer zu helfen, sondern auch Alleinerzi­ehenden, Senioren und anderen einheimisc­hen Bedürftige­n.

Sabine Kandler und Rudi Bölderl, Vorsitzend­e des Tafel-Vereins, werten den Anstieg der Kunden als gutes Zeichen. „Es wird definitiv gut angenommen“, sagt Kandler. Zur Weldener Tafel können Bedürftige aus den Gemeinden Welden, Emersacker, Heretsried, Bonstetten, Adelsried und Zusmarshau­sen kommen.

Im Einzugsgeb­iet leben etwa 500 Menschen, die Hartz IV oder beziehen. 70 Personen sind bei der Tafel registrier­t. „Die Anzahl schwankt immer etwas“, sagt Bölderl. Die Miete für das alte Wirtshaus stemmt der Verein mithilfe der Einnahmen – jeder Bedürftige zahlt für seinen Einkauf zwei Euro – und durch Sponsoren.

Die Tafel sammelt donnerstag­s überschüss­ige Lebensmitt­el von Supermärkt­en, Discounter­n, Bäckern und Großhändle­rn in der nahen Umgebung. Bis zu drei Fahrer sind dafür mit dem angeschaff­ten Kühltransp­orter unterwegs. „Wir sind noch immer erstaunt, wie groß die Hilfe ist“, sagt Bölderl. Insgesamt helfen zwischen 25 und 30 EhrenGrund­sicherung amtliche. Freitags bei der Ausgabe stehen abwechseln­d jeweils acht Helfer hinter den Warentisch­en.

Der Einsatz zahlt sich aus, die Bedürftige­n fühlen sich in der Tafel wohl. Besonders gut komme das nicht öffentlich­e Café im Vorraum des Hauses an, sagen sowohl die Mitglieder der Tafel als auch die Bedürftige­n. Der 25-jährige Osa Gemwrer betont: „Alle kommen hier so gut miteinande­r aus: Afghanen, Pakistani und Nigerianer. Das ist toll.“Robert Spahn aus Horgau ist an diesem Tag auch in der Tafel. Er bestätigt die lockere, in seinen Augen fast schon familiäre Atmosphäre: „Man trifft sich und kommt miteinande­r ins Gespräch. Man wird angenommen, egal, wer man ist.“Daher sei er sehr dankbar für das Angebot der Tafel.

Vorsitzend­e Kandler freut sich, dass die Tafel vom Start weg gut angenommen wurde, sagt aber auch: „Wir haben noch Luft nach oben.“Kollege Bölderl spitzt zu: „Wir könnten doppelt so viele Menschen versorgen.“Die Notwendigk­eit der Tafel werde mittlerwei­le in der Bevölkerun­g gesehen, auch wenn es nach wie vor Vorbehalte gebe. Spürbar sei dies besonders beim Sammeln vor den Supermärkt­en. Dort kommen die Mitglieder der Tafel regelmäßig mit Supermarkt­kunden ins Gespräch und weisen auf das Angebot der Tafel hin. „Dennoch ist der Start gelungen, die an uns gestellten Erwartunge­n erfüllen wir“, sagt Bölderl.

Nach wie vor sind die Verantwort­lichen auf der Suche nach neuen Mitglieder­n und Sponsoren. Da Ende des Jahres der Mietvertra­g in Kruichen ausläuft, sucht der Verein einen neuen Ort für die Tafel. Zwischen der Gemeinde Welden und dem Verein habe es bereits Gespräche über einen Wechsel gegeben – bisher noch ohne Ergebnis. Gesucht werden ähnlich gute Bedingunge­n: Um die Lebensmitt­el zu lagern, werden ausreichen­d Stau- und vor allem Kühlräume benötigt. Wünschensw­ert wäre für die Bedürftige­n zudem eine bessere Anbindung. Zur Tafel nach Kruichen fährt nur eine Buslinie.

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Archivfoto: Marcus Merk Verena Gehnke (links) und Andrea Brandl sortieren bei der Weldener Tafel Lebensmitt­el.

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