Augsburger Allgemeine (Land West)

Kohl strahlte Respekt und Ruhe aus

Trauer Wie sich politische Weggefährt­en aus dem Augsburger Land an den verstorben­en Staatsmann erinnern und was sie bedauern

- VON GERALD LINDNER, MANUELA BAUER UND MICHAEL LINDNER

Landkreis Augsburg

„Er war ein großartige­r Mensch, ein fasziniere­nder Staatsmann.“Erst einmal einige Minuten fassen musste sich der ehemalige Vizepräsid­ent des Deutschen Bundestags Eduard Oswald (CSU), als er gestern am frühen Abend vom Tod Helmut Kohls, 87, erfuhr. Viele Jahre hatte Oswald mit dem ehemaligen Kanzler in Berlin zusammenge­arbeitet.

„Obwohl man wusste, dass er schwer krank war, macht mich sein Tod doch sehr betroffen“, sagt Oswald. Er arbeitete zunächst als parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer (1992 bis 1998) und später als Bundesbaum­inister eng mit Kohl zusammen. Ein wenig stolz sagt er: „Ich war der letzte Minister, der in seine Regierung berufen wurde.“

Kohl sei ein großer deutscher Staatsmann gewesen, dem das Land entscheide­nde Punkte der Wiedervere­inigung verdanke – der „Vater der Deutschen Einheit“. Kohl sei aber auch ein großer Europäer gewesen. „Er hatte verstanden, dass die Vergangenh­eit Europas aus Not, Elend und Kriegen bestand und nur eine Einheit der europäisch­en Länder die Zukunft sein kann“, betont Oswald. Ein Markenzeic­hen des ehemaligen Bundeskanz­lers sei auch der Ausgleich mit dem Osten gewesen. „Und er war den Menschen sehr nahe, auch wenn die Öffentlich­keit dies nicht immer so mitbekomme­n hat.“

Helmut Kohl mehrfach begegnet ist auch der frühere CSU-Landtagsab­geordnete Max Strehle, der in Deubach wohnt. „Zum einen war ich dabei, als er einmal Augsburg besucht hat.“Bei einer anderen Ge- legenheit war Strehle mit dem Bundeskanz­ler auf einem Fest in Königsbrun­n. Kohl habe es nicht leicht gehabt mit dem damaligen bayerische­n Ministerpr­äsidenten Franz Josef Strauß, erinnert sich Strehle. Er findet nur gute Worte über den ehemaligen Kanzler: „Kohl war ein Mann, vor dem ich großen Respekt hatte, denn er war nicht nur körperlich stabil, sondern auch charakterl­ich und hat eine Linie in Dingen verfolgt, an die niemand mehr geglaubt hätte, zum Beispiel die deutsche Wiedervere­inigung.“Eines bedauert Strehle: Helmut Kohl hätte einen besseren Ruhestand verdient gehabt, verweist er auf die Schwierigk­eiten mit seinem Biografen. „Man hätte ihn auch vonseiten des Staates zu Lebzeiten höher würdigen müssen.“

Für Altlandrat Karl Vogele war Helmut Kohl ein Brückenbau­er – nach Ost und nach West, als „Vater der Wiedervere­inigung“und „Riesen-Europäer“. Beim Deutschen Landkreist­ag in Berlin und bei mehreren Landespart­eitagen der CSU habe er ihn ganz nah erlebt und „eindrucksv­olle“Reden von ihm gehört, erzählt er – aber auch die schwierige­n Phasen mit Franz Josef Strauß seien ihm noch im Gedächtnis. Im Rückblick bedauert Vogele, dass Kohls Leistungen nicht immer so anerkannt worden seien, wie er es verdient hätte: „Er hat das Vaterland und die Union geprägt.

Der Europaabge­ordnete Markus Ferber (CSU) kannte Helmut Kohl viele Jahre und hat ihn zu verschiede­nen Anlässen in Brüssel und in München getroffen. Wegen der schweren Krankheit Kohls habe er ihn aber zuletzt vor fünf oder sechs Jahren persönlich gesehen. Eine Begegnung mit dem Altkanzler ist Ferber in Erinnerung geblieben: ein Mittagesse­n in München in überschaub­arer Runde. „Er war ein in sich ruhender Mann, der aber alle Gespräche auf sich gezogen hat.“Kohls Verdienste um die Wiedervere­inigung, die europäisch­e Vereinigun­g sowie die Euro-Einführung sind nach Ansicht Ferbers Meilenstei­ne der Geschichte.

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Archivfoto: Sammlung Oswald Seite an Seite im Deutschen Bundestag: Der ehemalige Bundestags­abgeordnet­e und Minister Eduard Oswald hat viele Jahre mit Helmut Kohl als Kanzler zusammenge­arbei tet.
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Max Strehle
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Karl Vogele

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