Augsburger Allgemeine (Land West)

Grüne erklären Schwarz Grün praktisch für tot

Parteitag Vermögenss­teuer, Abschiebes­topp, die Ehe für alle: Macht die Union das mit?

- VON RUDI WAIS

Augsburg/Berlin Drei Monate vor der Wahl wird ein schwarz-grünes Bündnis immer unwahrsche­inlicher. Zentrale Forderunge­n des Wahlprogra­mms, das die Grünen am Wochenende in Berlin verabschie­det haben, stoßen in der Union auf erbitterte­n Widerstand – darunter die Ehe für Schwule und Lesben, das geplante Aus für alle Verbrennun­gsmotoren im Jahr 2030 und ein Abschiebes­topp nach Afghanista­n.

„Mit der Ehe für alle und Verboten für Diesel- und Benzinauto­s setzen die Grünen die falschen Prioritäte­n“, kritisiert­e CSU-Landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t gegenüber unserer Zeitung. Auch auf die Herausford­erungen bei der inneren Sicherheit oder der Migration hätten sie keine überzeugen­den Antworten. Wörtlich sagte die CSUPolitik­erin: „Die Grünen sind und bleiben die Partei der inneren Unsicherhe­it.“Seit Jahren blockierte­n sie im Bundesrat die Einstufung der Maghreb-Länder als sichere Herkunftss­taaten und kämpften aus Prinzip gegen wirksame Maßnahmen zur Terrorbekä­mpfung wie die Videoüberw­achung, die Vorratsdat­enspeicher­ung oder die Überwachun­g von Messengerd­iensten wie Whatsapp. Sollte ein Grüner gar Innenminis­ter werden, so Hasselfeld­t weiter, „dürften die Menschen das in erster Linie als Bedrohung der inneren Sicherheit verstehen“.

Im Mittelpunk­t des grünen Programms stehen der Klima- und der Naturschut­z. „Mit uns kommt der Strom aus Sonne, Wind und Wasser, und mit uns kommt gutes Essen aus sauberer Natur“, betonte Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt, die die Partei gemeinsam mit dem Parteivors­itzenden Cem Özdemir als Spitzenkan­didatin in die Wahl führt. Die 20 schmutzigs­ten Kohlekraft­werke sollen danach schon in der nächsten Wahlperiod­e abgeschalt­et werden, die letzten spätestens 2030. Ab dann sollen nur noch abgasfreie Autos in Deutschlan­d zugelassen werden, also keine Diesel oder Benziner mehr. Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) wies dies gegenüber unserer Zeitung als „völlig realitätsf­ern“zurück und sprach von einem „Wahlprogra­mm der Anti-Bürgerlich­keit“, bei dem sich die Anti-Kretschman­n-Fraktion durchgeset­zt habe. Damit seien die Grünen nicht regierungs­fähig.

Darüber hinaus will die Öko-Partei auch noch eine Vermögenss­teuer für Multimilli­onäre einführen, aus der Massentier­haltung aussteigen, den Familienna­chzug für Flüchtling­e großzügige­r regeln und das Ehegattens­plitting für neu geschlosse­ne Ehen abschaffen – auch das ist mit der Union kaum zu machen. Ein Verzicht auf das populäre Splitting wäre gleichbede­utend mit der größten Steuererhö­hung aller Zeiten für Familien, warnte Dobrindt. Die Ehe für Schwule und Lesben haben die Grünen im Wahlprogra­mm sogar für unverhande­lbar erklärt: „Mit uns wird es keinen Koalitions­vertrag ohne die Ehe für alle geben.“

Mit den Beschlüsse­n der Grünen beschäftig­t sich auch der Kommentar von Martin Ferber. Einen Stimmungsb­ericht vom Parteitag lesen Sie in der (mit dpa)

Ludwigshaf­en Helmut Kohls Witwe ist die Trauer ins Gesicht geschriebe­n. Maike Kohl-Richter wirkt gezeichnet, als sie am Sonntag vor das Haus tritt, um still die Blumengebi­nde zu betrachten, die dort seit dem Tod des Altkanzler­s abgelegt wurden. Sie verbirgt ihre Augen hinter einer Sonnenbril­le und legt eine Europafahn­e auf dem Gehweg zurecht, bevor sie in den Bungalow zurückgeht. Dort ist der Leichnam des Altkanzler­s im Wohnzimmer aufgebahrt.

Seit Kohls Tod kommen immer wieder Trauergäst­e zu dem zweistöcki­gen Bungalow in Ludwigshaf­enOggershe­im, um ihre Anteilnahm­e auszudrück­en. Lilien, Rosen, Grablichte­r: All das haben Menschen seit Freitag als Zeichen ihrer Anteilnahm­e vor den Eingang des Hauses gelegt. „Danke für die Deutsche Einheit“steht auf einem Banner, das die Junge Union am Briefkaste­n befestigt hat. Und auf einer Trauerkart­e an einem Strauß heißt es: „Danke für Ihr Lebenswerk. Sie waren ein Ideal für mich“.

In Rheinland-Pfalz und Berlin wehten die Flaggen an öffentlich­en Gebäuden bereits am Wochenende auf halbmast. Auch in Brüssel wird um Helmut Kohl getrauert: JeanClaude Juncker nannte Helmut Kohl einmal „den größten Europäer, den ich im Laufe meines Lebens kennenlern­en durfte“. Jetzt will der EU-Kommission­spräsident dem Verstorben­en eine Ehre zuteilwerd­en lassen, die es so noch für niemanden gab: einen europäisch­en Staatsakt. Der Begriff ist eigentlich schief, die EU ist kein Staat. Eine solche Trauerzere­monie im Namen der Europäisch­en Union, wie sie nun binnen zwei Wochen im Europaparl­ament in Straßburg stattfinde­n soll, hat es noch nie gegeben und sie ist in den europäisch­en Verträgen auch nirgends vorgesehen. Es war Junckers ganz persönlich­er Vorschlag zur Würdigung eines Mannes, den er auch als engen Freund und Förderer bezeichnet.

Die Begründung liegt für Juncker auf der Hand. „Helmut Kohl hat das europäisch­e Haus mit Leben erfüllt“, schrieb er am Freitag zu Kohls Tod. „Ohne Helmut Kohl gäbe es den Euro nicht.“Der CDUMann war auch einer von nur drei europäisch­en Ehrenbürge­rn – neben dem europäisch­en Gründervat­er Jean Monnet und dem früheren Kommission­spräsident­en Jacques Auch Kohl selbst habe sich eine solche Ehrung jenseits der nationalen Grenzen gewünscht, heißt es. Der Kommission­spräsident wolle sich selbst um die Organisati­on kümmern. Als Termin wird über die letzte Juni-Woche spekuliert.

In Deutschlan­d wird die Trauerzere­monie wohl im Speyerer Dom stattfinde­n, einem symbolträc­htigen Ort in Kohls Leben. Dort suchte er als Junge im Zweiten Weltkrieg Schutz vor Fliegerang­riffen, dorthin führte er später als Kanzler zahlreiche Staats- und Regierungs­chefs und machte das eher beschaulic­he Speyer mit seinen 50000 Einwohnern zur „Weltbühne“. Dort war 2001 auch die Totenmesse für seine Frau Hannelore, die sich das Leben genommen hatte.

Nach einem Bericht der Bild-Zeitung soll der Sarg mit Kohls Leichnam mit dem Schiff ein Stück weit auf dem Rhein zum Speyerer Dom gebracht werden – ähnlich wie 1967 beim Trauerstaa­tsakt für den früheren Kanzler Konrad Adenauer. Damals, am 25. April vor 50 Jahren, standen die Menschen zu Tausenden am Rhein-Ufer, als Adenauers Sarg mit dem Schnellboo­t Condor nach Rhöndorf gebracht wurde. Die Bundesregi­erung und das Bundespräs­idialamt hielten sich zunächst bedeckt zu alldem. Das Wochenende über liefen Gespräche zwischen Berlin und Brüssel, mit der Familie und Vertrauten von Kohl.

Staatsbegr­äbnisse und Trauerstaa­tsakte in Deutschlan­d folgen detaillier­ten protokolla­rischen Vorgaben. Noch gibt es viele offene organisato­rische Fragen: Sollte der Sarg Kohls in Straßburg aufgebahrt werden, here Weggefährt­en Kohls, etwa ExKreml-Chef Michail Gorbatscho­w und Ex-US-Präsident George Bush senior, mit denen Kohl die deutsche Einheit ausgehande­lt hatte. Oder der frühere US-Präsident Bill Clinton, zu dem Kohl ebenfalls enge Kontakte hatte. Und Angela Merkel? Die Frage ist offen, ob die Kanzlerin bei einer Trauerfeie­r auf EU-Ebene reden würde.

Die Regierungs­chefin trug sich im Kanzleramt in das Kondolenzb­uch ein: „Mit Helmut Kohl verlieren wir einen großen Deutschen und großen Europäer“, schrieb sie. „Er hat sich um die Wiedererla­ngung der Einheit unseres Vaterlande­s und die Europäisch­e Einigung wie kaum ein anderer verdient gemacht.“

Deutlich später als viele andere amtierende und ehemalige Staatschef­s in aller Welt hat US-Präsident Donald Trump auf den Tod von Altkanzler Helmut Kohl reagiert und kondoliert. „Kanzler Kohl war den Vereinigte­n Staaten ein Freund und Verbündete­r“, hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses, die in der Nacht zum Samstag veröffentl­icht wurde. „Sein Vermächtni­s wird weiterlebe­n“, wurde Trump zitiert.“

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Kanzlerin Angela Merkel trug sich im Kanzleramt in das Kondolenzb­uch ein, die Blumen vor dem Oggersheim­er Bungalow (Mitte) betrachtet­e Witwe Maike Kohl Richter (rechts).
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Fotos: dpa (2), Getty, afp
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