Augsburger Allgemeine (Land West)

Diakon trotz KZ Witzen

Kirche In Eichstätt wird ein junger Mann zur Weihe zugelassen, der vor vier Jahren aus dem Priesterse­minar geflogen ist. Es hagelt Kritik, doch der Bischof verteidigt seine Entscheidu­ng

- VON DANIEL WIRSCHING UND LUZIA GRASSER

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, ist verärgert. Und der Ärger sitzt tief. Auch nach der Pressekonf­erenz Gregor Maria Hankes am Mittwoch. Bei der erklärte der Eichstätte­r Bischof ausführlic­h, warum ein junger Mann, der vor vier Jahren wegen rassistisc­her Äußerungen aufgefalle­n war, am Samstag in der Eichstätte­r Schutzenge­lkirche zum Diakon geweiht wird.

Schuster hatte dies zuvor bereits in unserer Zeitung scharf kritisiert. Am Mittwochmi­ttag legte er nach. Die Diakonenwe­ihe „belastet erheblich unser Verhältnis zur katholisch­en Kirche“, sagte er. Einem Gespräch mit Bischof Hanke würde er sich nicht verschließ­en. Für ihn stehe jedoch fest: Dass der Weihekandi­dat als katholisch­er „Seelsorger agieren wird und die Kirche ihm einen Persilsche­in ausstellt, ist inakzeptab­el“. Dass in dem Fall Gesprächsb­edarf besteht, kann Hanke nicht entgangen sein. Nach Informatio­nen unserer Zeitung suchte er dennoch nicht den Kontakt zu Schuster, bevor er seine Entschei- traf. Am Mittwoch signalisie­rte er Bereitscha­ft zu einem Treffen, bis zum Abend wurde aber nichts von einer offizielle­n Einladung oder einem konkreten Termin bekannt.

Schuster wiederum hatte dem Münchner Kardinal Reinhard Marx, dem Vorsitzend­en der in der Freisinger Bischofsko­nferenz zusammenge­schlossene­n bayerische­n Bischöfe, in einem Brief über die „Irritation­en“berichtet. Damit ist der Fall zum Politikum geworden. Marx’ Sprecher verwies auf Anfrage auf „die Tatsache, dass die Auswahl von Priesteram­tskandidat­en ausschließ­lich in der Verantwort­ung des zuständige­n Ortsbischo­fs liegt“.

Der Fall des angehenden Priesters, der aus dem Erzbistum Bamberg stammt, reicht zurück ins Jahr 2013. Im Würzburger Priesterse­minar erzählte er dem Bericht einer externen Untersuchu­ngskommiss­ion zufolge, die der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann eingesetzt hatte, unter anderem „mindestens drei ,KZ-Witze‘ zur Unterhaltu­ng“und imitierte Adolf Hitler. Zudem wurde im Priesterse­minar „wiederholt“der Badenweile­r Marsch abgespielt, „im Wissen, dass es sich dabei um Hitlers Lieblings- marsch handelte“, so die Kommission. Bischof Hofmann bezeichnet­e die Vorfälle als „nicht entschuldb­ar“; zwei von drei Beschuldig­ten mussten das Priesterse­minar verlassen. Darunter der Mann, der in Eichstätt nun Diakon werden darf.

„Wir weihen keine Heiligen zu Diakonen, Priestern oder Bischöfen, sondern Menschen, die sich durch die Hilfe des Sakraments in ihrem Menschsein weiterentw­ickeln sollen“, sagte der Eichstätte­r Bischof Hanke jetzt. Der Mann habe ihn um eine zweite Chance gebeten – und sie als Akt der Barmherzig­keit erhalten. In den letzten Jahren wurde er nach Angaben Hankes psychother­apeutisch begleitet und teilte seine Wohnung in seiner Praktikums­pfarrei im mittelfrän­kischen Schwabach mit einem Flüchtling. In der Pfarrgemei­nde sei er sehr beliebt gewesen, betonte sein Betreuer, Domkapitul­ar Alois Ehrl. Er bescheinig­te ihm „große Aufgeschlo­sdung senheit gegenüber allen Menschen“. Hanke ergänzte: „Der Mann ist ein anderer als 2013, hoffe ich.“Sämtliche Gutachten hätten ihm keine rechtsradi­kale Gesinnung bestätigt: „Ich gehe von einem Fehlverhal­ten aus, nicht von einer Grundhaltu­ng.“

Nicht nur Schuster, auch Norbert Baumann, früherer Richter und Vorsitzend­er der externen Kommission, sieht das anders. Er könne die Entscheidu­ng in Eichstätt, in die er nicht eingebunde­n war, nicht nachvollzi­ehen. Eine Entscheidu­ng, die auch deshalb Fragen aufwirft, weil Bischof Hanke den 204 Seiten starken Abschlussb­ericht der Kommission „aus Datenschut­zgründen“nicht gelesen hat, wie er einräumte.

Auf die mehrmals bei der Pressekonf­erenz gestellte Frage, ob der angehende Priester seine Äußerungen im persönlich­en Gespräch bereut habe, antwortete Hanke nur sehr zögerlich: „Er hat bereut, was er zu verantwort­en hat.“Selbst öffentlich geäußert hat er sich nicht, wegen des „Drucks, dem er aktuell ausgesetzt ist“, so Hanke. Gerade absolviert der angehende Priester ein Praktikum in einer Ingolstädt­er Pfarrei. Dort soll er verstärkt mit »Kommentar Flüchtling­en arbeiten.

 ??  ?? „Wir weihen keine Heiligen, sondern Menschen.“Eichstätts Bischof Hanke
„Wir weihen keine Heiligen, sondern Menschen.“Eichstätts Bischof Hanke

Newspapers in German

Newspapers from Germany