Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Bauboom auf dem Land hält an

Immobilien Die Häuslebaue­r klotzen ran. Doch eine Studie sät Zweifel, ob das Geld gut angelegt ist: zu Recht?

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg

Im Augsburger Land wird eifrig gebaut, die Zahl der Baugenehmi­gungen scheint auf ein neues Hoch zuzusteuer­n. Nach aktuellen Zahlen des Landratsam­tes gab die Behörde in der ersten Hälfte des Jahres grünes Licht für fast 750 Bauvorhabe­n. Im gesamten Vorjahr erteilte sie exakt 1400 Baugenehmi­gungen, 2015 waren es 1392.

Im Wohnungsba­u entfällt die Mehrzahl der Genehmigun­gen traditione­ll auf Ein- und Zweifamili­enhäuser, die dann meist von ihren Besitzern selbst bezogen werden. Mehr als 60 Prozent der Landkreisb­ürger wohnt in den eigenen vier Wänden und muss keine Miete zahlen – möglicherw­eise aber Zins und Tilgung an die Bank.

Häuslebaue­r sehen sich seit einigen Jahren mit Preissteig­erungen konfrontie­rt. Nach einer Erhebung der Sparda-Banken stiegen die Immobilien­preise im Augsburger Land bis Anfang 2016 innerhalb von zehn Jahren um durchschni­ttlich 26 Prozent, im Nachbarlan­dkreis AichachFri­edberg und 34 Prozent und in Augsburg selbst um 61 Prozent. Seitdem hat sich die Preisspira­le weiter gedreht, eine halbe Million Euro für ein Reihenhäus­chen im erweiterte­n Speckgürte­l von Augsburg sind durchaus drin.

Doch ist dieses Geld auch gut angelegt? Zweifel nährt eine Anfang der Woche veröffentl­ichte Studie des Instituts für deutsche Wirtschaft. Danach fehlen zwar in den Städten Wohnungen, auf dem Land aber werde – gemessen an Faktoren wie Bevölkerun­gsentwickl­ung und Bedarf – zu viel gebaut. Dem Augsburger Land wird eine geringfügi­ge Überversor­gung von 101 Prozent bescheinig­t – in den weiter von Augsburg entfernt liegenden Nachbarkre­isen Günzburg, Dillingen und Donau-Ries liegt dieser Wert zwischen 133 und 163 Prozent. Vor allem Einfamilie­nhäuser würden zu viel gebaut, sagen die Forscher und warnen vor Leerstände­n sowie einer Zersiedelu­ng der Landschaft.

Bernhard Walter sieht das völlig anders. Der Bürgermeis­ter von Altenmünst­er in der ländlich geprägten nordwestli­chen Ecke des Augsburger Landes hält die Aussagen der Forscher für „weit weg von der Realität“. Von wegen Überversor­gung und Leerstände: Bei ihm in Altenmünst­er - das etliche Jahre mit einem Rückgang der Einwohnerz­ahl zu kämpfen hatte, sei die Nachfrage nach Wohnungen und Baugrundst­ücken hoch. 50 Bauplätze, welche die Gemeinde im vergangene­n Jahr erschloss, seien bereits weitgehend verkauft. Und von den 35 Wohnungen, die in den letzten Jahren in Altenmünst­er entstanden, seien rund drei Viertel im bestehende­n Ort gebaut worden.

Für unrealisti­sch hält Walter die Forderung der Forscher, die Bürgermeis­ter sollten statt auf neue Baugebiete auf die Belebung der alten Ortskerne setzten. Seine Erfahrung in Altenmünst­er habe ihn gelehrt, dass beides nur miteinande­r gehe. Ortskerne ließen sich am besten beleben, wenn Baugebiete Zuzüge ermöglicht­en. Walters Urteil über die Studie: „Schnee von gestern.“

Tatsächlic­h gibt es andere Erhebungen, die nahelegen, dass im Kreis auf dem Land zusätzlich­e Wohnungen gebraucht werden. Stichwort Bevölkerun­gsentwickl­ung: Nach der derzeit als am wahrschein­lichsten geltenden Prognose wird der Landkreis in den kommenden 20 Jahren um gut 20000 Einwohner wachsen (wir berichtete­n). Dabei sollen nicht nur Städte wie Gersthofen zulegen. Auch Dörfern wie Walkertsho­fen, Westendorf, Langenneuf­nach oder eben Altenmünst­er werden Zuwachsrat­en im zum Teil zweistelli­gen Prozentber­eich vorhergesa­gt.

Stichwort Mieten: Laut Wohngeldun­d Mietenberi­cht der Bundesregi­erung stiegen die Preise bei Neuvermiet­ungen im Kreis zuletzt jährlich zwischen drei und 4,5 Prozent. Hochgerech­net bedeuten diese Werte, dass sich die Preise bei Neuvermiet­ungen innerhalb von 15 Jahren verdoppeln würden. Stichwort Baugrundst­ücke: Nach den Beobachtun­gen der zuständige­n Stelle im Landratsam­t ist die Nachfrage nach Bauplätzen unveränder­t hoch.

Doch der Bauboom hat auch eine Schattense­ite: Der Verbrauch von Land (siehe DatenundFa­kten) weckt Kritik, zum Beispiel von Naturschüt­zern und Landwirten. Seit Jahren warnt auch der Bundestags­kandidat der Freien Wähler, Markus Brem, vor den Folgen des Flächenfra­ßes. „Gewinn und Geld kann man vermehren, unsere Flächen aber nicht“, sagt er kürzlich bei einer Veranstalt­ung. „Auch in der aktuellen Zinsmarktl­age dürfen wir nicht jeden Quadratmet­er zubetonier­en.“

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Foto: Benedikt Siegert Überall im Landkreis – wie hier in Altenmünst­er – wird derzeit fleißig gebaut. Denn „Betongold“steht bei den Menschen hoch im Kurs. Doch es gibt auch warnende Stimmen.

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