Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Bauboom auf dem Land hält an
Immobilien Die Häuslebauer klotzen ran. Doch eine Studie sät Zweifel, ob das Geld gut angelegt ist: zu Recht?
Landkreis Augsburg
Im Augsburger Land wird eifrig gebaut, die Zahl der Baugenehmigungen scheint auf ein neues Hoch zuzusteuern. Nach aktuellen Zahlen des Landratsamtes gab die Behörde in der ersten Hälfte des Jahres grünes Licht für fast 750 Bauvorhaben. Im gesamten Vorjahr erteilte sie exakt 1400 Baugenehmigungen, 2015 waren es 1392.
Im Wohnungsbau entfällt die Mehrzahl der Genehmigungen traditionell auf Ein- und Zweifamilienhäuser, die dann meist von ihren Besitzern selbst bezogen werden. Mehr als 60 Prozent der Landkreisbürger wohnt in den eigenen vier Wänden und muss keine Miete zahlen – möglicherweise aber Zins und Tilgung an die Bank.
Häuslebauer sehen sich seit einigen Jahren mit Preissteigerungen konfrontiert. Nach einer Erhebung der Sparda-Banken stiegen die Immobilienpreise im Augsburger Land bis Anfang 2016 innerhalb von zehn Jahren um durchschnittlich 26 Prozent, im Nachbarlandkreis AichachFriedberg und 34 Prozent und in Augsburg selbst um 61 Prozent. Seitdem hat sich die Preisspirale weiter gedreht, eine halbe Million Euro für ein Reihenhäuschen im erweiterten Speckgürtel von Augsburg sind durchaus drin.
Doch ist dieses Geld auch gut angelegt? Zweifel nährt eine Anfang der Woche veröffentlichte Studie des Instituts für deutsche Wirtschaft. Danach fehlen zwar in den Städten Wohnungen, auf dem Land aber werde – gemessen an Faktoren wie Bevölkerungsentwicklung und Bedarf – zu viel gebaut. Dem Augsburger Land wird eine geringfügige Überversorgung von 101 Prozent bescheinigt – in den weiter von Augsburg entfernt liegenden Nachbarkreisen Günzburg, Dillingen und Donau-Ries liegt dieser Wert zwischen 133 und 163 Prozent. Vor allem Einfamilienhäuser würden zu viel gebaut, sagen die Forscher und warnen vor Leerständen sowie einer Zersiedelung der Landschaft.
Bernhard Walter sieht das völlig anders. Der Bürgermeister von Altenmünster in der ländlich geprägten nordwestlichen Ecke des Augsburger Landes hält die Aussagen der Forscher für „weit weg von der Realität“. Von wegen Überversorgung und Leerstände: Bei ihm in Altenmünster - das etliche Jahre mit einem Rückgang der Einwohnerzahl zu kämpfen hatte, sei die Nachfrage nach Wohnungen und Baugrundstücken hoch. 50 Bauplätze, welche die Gemeinde im vergangenen Jahr erschloss, seien bereits weitgehend verkauft. Und von den 35 Wohnungen, die in den letzten Jahren in Altenmünster entstanden, seien rund drei Viertel im bestehenden Ort gebaut worden.
Für unrealistisch hält Walter die Forderung der Forscher, die Bürgermeister sollten statt auf neue Baugebiete auf die Belebung der alten Ortskerne setzten. Seine Erfahrung in Altenmünster habe ihn gelehrt, dass beides nur miteinander gehe. Ortskerne ließen sich am besten beleben, wenn Baugebiete Zuzüge ermöglichten. Walters Urteil über die Studie: „Schnee von gestern.“
Tatsächlich gibt es andere Erhebungen, die nahelegen, dass im Kreis auf dem Land zusätzliche Wohnungen gebraucht werden. Stichwort Bevölkerungsentwicklung: Nach der derzeit als am wahrscheinlichsten geltenden Prognose wird der Landkreis in den kommenden 20 Jahren um gut 20000 Einwohner wachsen (wir berichteten). Dabei sollen nicht nur Städte wie Gersthofen zulegen. Auch Dörfern wie Walkertshofen, Westendorf, Langenneufnach oder eben Altenmünster werden Zuwachsraten im zum Teil zweistelligen Prozentbereich vorhergesagt.
Stichwort Mieten: Laut Wohngeldund Mietenbericht der Bundesregierung stiegen die Preise bei Neuvermietungen im Kreis zuletzt jährlich zwischen drei und 4,5 Prozent. Hochgerechnet bedeuten diese Werte, dass sich die Preise bei Neuvermietungen innerhalb von 15 Jahren verdoppeln würden. Stichwort Baugrundstücke: Nach den Beobachtungen der zuständigen Stelle im Landratsamt ist die Nachfrage nach Bauplätzen unverändert hoch.
Doch der Bauboom hat auch eine Schattenseite: Der Verbrauch von Land (siehe DatenundFakten) weckt Kritik, zum Beispiel von Naturschützern und Landwirten. Seit Jahren warnt auch der Bundestagskandidat der Freien Wähler, Markus Brem, vor den Folgen des Flächenfraßes. „Gewinn und Geld kann man vermehren, unsere Flächen aber nicht“, sagt er kürzlich bei einer Veranstaltung. „Auch in der aktuellen Zinsmarktlage dürfen wir nicht jeden Quadratmeter zubetonieren.“