Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine Bahnfahrt, die ist lustig

Typologie Wenn der Pendler auf den Junggesell­enabschied trifft: Im Zug lassen sich viele Passagiere beobachten

- VON HEDWIG OSCHWALD

Landkreis Augsburg

Von morgendlic­hen Menschenma­ssen auf dem Weg zur Arbeit über lustige Sprüche des Schaffners bis hin zur Zitterpart­ie bei Verspätung­en: Zum Thema Zugfahren hat fast jeder Geschichte­n über abenteuerl­iche Reisen und außergewöh­nliche Mitfahrer parat. Eine nicht ganz ernst gemeinte Typologie.

Die Familie

● Erkennt man vor allem daran, dass sie einen Vierertisc­h belegen. Ginge es nach den Kindern, sollte aber am besten der gesamte Waggon in Beschlag genommen werden. Wahrend der Vater mit der Kinderwage­nbremse kämpft oder das Baby spazieren trägt, versucht die Mutter, die beiden Älteren auf den Sitzen zu halten. Doch, statt sich still mit den ausgebreit­eten Spiel- und Malsachen zu beschäftig­en, fetzen sie lieber im Formel-1-Tempo durch den Zug.

Das Baby

● Im selten eintretend­en Optimalfal­l liegt es friedlich schlafend im Kinderwage­n. Viel öfter jedoch hält es sämtliche Bahnfahrer mit nicht enden wollenden Schreikram­pfen wach. Die Eltern versuchen verzweifel­t, ihr Kind zu beruhigen. Oftmals artet das aus in einen Streit darum, was dem Nachwuchs fehlen könnte. Aber auch, wenn das Baby ruhig ist, nimmt es alle in Beschlag. Die Eltern meinen, es stets mit etwas beschäftig­en zu müssen, wobei sich die alte Dame von nebenan gern einmischt und von ihren Kindern und Enkeln berichtet.

Das Pärchen

● Am Bahnsteig rückt die bevorstehe­nde Trennung näher. Nach einem langen Abschiedsk­uss bleibt dem Zurückgela­ssenen nichts mehr, als dem Zug hinterherz­uwinken. Die Pärchen, die zusammen reisen, suchen sich einen Zweiersitz. So können sie während der Fahrt in Ruhe kuscheln. Die streitende Version redet sich schon am Bahnhof in Fahrt und betritt völlig in Rage den Zug. Dort wird mit gedämpfter Stimme weiterdisk­utiert. Trotzdem lauschen die meisten Mitfahrer, welche Probleme das Liebespaar beredet. Oft sind es Lappalien.

Der Musikhörer

● Selbst mit Kopfhörern beschallt er sämtliche Bahnreisen­den in seinem Umkreis. Seine Devise: Je lauter und harter, desto besser. Fasst sich der Sitznachba­r ein Herz und bittet den Musikhörer darum, die Musik etwas leiser zu stellen, wird dies nicht selten mit Unverständ­nis und Augenrolle­n beantworte­t. Die angenehmer­en Vertreter verringern mit einem dahingenus­chelten Kommentar den Pegel. Wohingegen die völlig Uneinsicht­igen jetzt erst recht aufdrehen.

Der Gangsitzer

● Ist gerade an Hauptreise­tagen in Fernzügen zahlreich vorhanden und bevölkert sämtliche Durchgänge und Türbereich­e. Meist ist dies einem Mangel an freien Platzen geschuldet. Seine Hauptbesch­äftigung besteht darin, sein Gepäck und sich an die Wand zu drücken und mit angezogene­n Beinen Schaffnern und Mitreisend­en den Weg freizumach­en.

Der Redebedürf­tige

● Sei es der vorbeikomm­ende Schaffner oder der ahnungslos­e Sitznachba­r: Jeder Mensch im Umkreis wird sofort in Beschlag genommen. Ein Gesprächst­hema hat er immer parat. Gerne mischt er sich in bereits laufende Gespräche ein und gibt, für den gesamten Zug vernehmbar, seine Meinung zum Besten. Am Zielbahnho­f ist der Sitznachba­r froh, die Unterhaltu­ng höflich beenden zu können.

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Symbolfoto: Kaya Der Zug als Mi krokosmos.

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