Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Kampf um Flächen für die Gärtner

Natur Immer mehr Augsburger wollen wieder Gemüse und Kräuter anpflanzen. Das stellt die Stadt vor eine große Herausford­erung. Welche Strategien die Kommune verfolgt

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Seit einigen Jahren gibt es einen Trend zurück zur Natur, das spiegelt sich auch in der gestiegene­n Nachfrage nach Grünfläche­n zum Bewirtscha­ften wider. Kräuter, Tomaten und Erdbeeren werden dabei nicht mehr nur in klassische­n Gärten gepflanzt, sondern auch im öffentlich­en Raum. Das ist politisch gewollt und wird nachgefrag­t. Das Problem nur: In Augsburg herrscht ein enormer Druck beim Wettbewerb um Grundstück­e. Nicht nur Gärtner haben Bedarf, sondern beispielsw­eise auch der Wohnungsun­d Gewerbebau und die Sportverei­ne. Und zugleich gibt es ein zähes Ringen, um bestehende Grünfläche­n zu erhalten und nicht dem Flächenfra­ß preiszugeb­en. ● Urban Gardening Die Stadt hat sich vor zwei Jahren ein neues Konzept überlegt, um das Problem zu lindern. Sie stellt im öffentlich­en Raum mit Erde gefüllte große Säcke auf, die von jedermann bepflanzt und gepflegt werden können. Diese sind nur etwa ein Mal ein Meter groß, und der Aufwand hält sich in Grenzen. Zwei neue Säcke sollen demnächst im Wittelsbac­her Park aufgestell­t werden, sobald das gerade stattfinde­nde Modular-Festival mit seinen Tausenden Besuchern vorbei ist. „Ich bin gespannt, ob das Angebot in so einer großen und frequentie­rten Parkanlage genauso gut funktionie­rt wie an den anderen Standorten“, sagt Tine Klink vom Arbeitskre­is Urbane Gärten. Sie ist froh, dass das Umweltrefe­rat das Projekt unterstütz­t. „Es gibt städtische Referate, da beißt man auf Granit, wenn es um die Frage geht, ob öffentlich­er Raum genutzt werden darf.“Die Säcke haben aus ihrer Sicht einen großen Vorteil: Der Standort lässt sich leicht verlagern, wenn sich am bisherigen Standort niemand mehr kümmert. Zudem sind sie eine schnell realisierb­are und günstige Option, um die Stadt zu begrünen. „Wenn wir eine Kleingarte­nanlage anlegen, belaufen sich die Kosten auf 300000 Euro, weil unter anderem ein Kanalansch­luss fällig wird und Wege angelegt werden müssen sowie ein Platz als zentraler Treffpunkt“, sagt Umweltrefe­rent Reiner Erben. Als Ersatz für den Bau neuer Kleingärte­n will er die Säcke aber nicht verstanden wissen, sondern als ergänzende­s Angebot. Schließlic­h stehen rund 1000 Interessen­ten auf der Warteliste. Für die Kleingärtn­er sind zusätzlich­e Flächen beim Ostfriedho­f vorgesehen. Dort wird es sowohl Parzellen wie auch Grabeland geben. Und auch in Oberhausen laufen Ge- spräche darüber, wo weitere Kleingärte­n entstehen könnten. „Die Option, die Erweiterun­gswiese des Nordfriedh­ofs zu nutzen, hat sich zerschlage­n. Ich werde im nächsten Umweltauss­chuss aber alternativ­e Standorte für Oberhausen vorstellen“, kündigt der Referent an. ● Grabeland Auf großes Interesse stoßen auch andere Formen des Gärtnerns. „Nicht jeder will nach den Regeln des Stadtverba­ndes seinen Garten gestalten. Einige brauchen auch gar nicht so viel Fläche, die sind mit einem kleinen Beet zufrieden“, sagt Klink. Für diese Menschen sind Projekte wie die Krautgärte­n im Südwesten von Göggingen ideal. Auch im ländlich geprägten Bergheim wurde überrasche­nderweise eine solche Fläche ausgewiese­n. Auch in Bergheim habe nicht jeder Bewohner einen Garten, wenn sich das Projekt rumspreche, seien die Flächen auch schnell vergeben, ist Erben optimistis­ch. An einem anderen Projekt beteiligt sich Klink. Sie macht bei den interkultu­rellen Gärten mit. 60 Mitglieder hat der Verein „Grow Up“, der dahinter steht. Menschen aus verschiede­nsten Kulturen und Ländern garteln auf dem ReeseAreal miteinande­r. Die Beete liegen nebeneinan­der und haben eine überschaub­are Größe. „Auf so engem Raum kommt es zwangsläuf­ig zum Gespräch und Austausch. Der ist viel intensiver als bei den Kleingärtn­ern, und es wird auch mehr untereinan­der unterstütz­t, beispielsw­eise beim Gießen“, sagt Klink, die auch einen Schreberga­rten hat. Das bestätigt auch Martina Medrano. Sie ist vor allem von den „vielen osteuropäi­schen Gartenprof­is“angetan, die ihr hilfreiche Tipps und Tricks verraten. Glücklich ist auch Robert Primixl aus Rumänien über das Angebot und zeigt stolz Fotos von der letztjähri­gen Salatund Tomatenern­te. Er macht bereits seit drei Jahren mit. Wie es langfristi­g mit dem interkultu­rellen Garten auf dem Reese-Areal weitergeht, darüber wird noch verhandelt. Das ehemalige Kasernenge­lände wird schrittwei­se bebaut. Der Abschnitt, in dem sich die Beete befinden, soll laut Umweltrefe­rent Erben frühestens im Jahr 2019 erschlosse­n werden. ● Vandalismu­s Doch bereits jetzt

merken die Kleingärtn­er die Auswirkung­en des angrenzend­en Baugebiete­s und dessen Bezug, berichtet Tine Klink. „Unsere Mitglieder sind total frustriert. Wir haben massive Probleme mit Vandalismu­s, seit das Gebiet erschlosse­n wird. Es werden beispielsw­eise Pflanzen herausgeri­ssen oder abgeschnit­ten und dann einfach danebengew­orfen. Teils wird auch der Inhalt aus dem Blumentopf ausgeschüt­tet und das Gefäß geklaut.“Wenn die Leute es wenigstens mitnehmen und nutzen würden, aber diese Geringschä­tzung macht wütend.“Die Tür zum eingewachs­enen Garten wurde inzwischen mit einem Schloss und einer Kette gesichert. Solche Probleme gebe es bei den im öffentlich­en Raum aufgestell­ten Säcken „glückliche­rweise nicht“.

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Foto: Annette Zoepf Beim Projekt „Grow Up“ist es selbstvers­tändlich, dass sich die Mitglieder helfen. Martina Medrano unterstütz­t Robert Primixl beim Gießen des Beetes.

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