Augsburger Allgemeine (Land West)

Im Namen der Freiheit

Lange Kunstnacht 200 Veranstalt­ungen an verschiede­nen Orten in der Stadt erwarten die Besucher am Samstag. Das Motto steht in Zusammenha­ng mit dem Reformatio­nsjubiläum, sucht aber auch Bezüge zum Heute

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Seidel, am Samstag findet die lange Kunstnacht mit rund 200 Veranstalt­ungen und fast 700 Künstlern an verschiede­nen Orten in der Stadt statt. Wie viel Vorlauf benötigen Sie, um dieses Projekt zu organisier­en?

Elke Seidel: Wir beginnen im Januar mit der konkreten Planung.

Wie finden Sie das Motto für die Kunstnacht?

Seidel: Das Motto war in den letzten Jahren durch die historisch­e Einbettung leicht zu finden – das passiert im Übrigen auch schon im Herbst. Dann streuen wir es unter den Künstlern und stricken ab Januar die Fäden zusammen.

Was heißt das genau?

Seidel: Wir machen uns Gedanken darüber, was das Thema bedeuten könnte. Das Motto „Freiheit“sehen wir im Hinblick auf das Reformatio­nsjubiläum, aber auch, wie wir den Begriff heute interpreti­eren, welche Bereiche er umfasst. Das geben wir an die Künstler weiter. Vorrangig sind es Künstler aus Augsburg, denn die Lange Kunstnacht ist eine Plattform für die örtliche Szene. Und dann müssen wir die einzelnen Programmpu­nkte, die uns vorgeschla­gen werden, noch miteinande­r abstimmen. Dabei können wir Programmid­een vertiefen und Doppelunge­n vermeiden. Aber wir gehen auch selbst auf Künstler zu, damit die Lange Nacht eine Vielfalt an Kunstforme­n hat. In diesem Jahr haben wir initiiert, dass sich jemand der Reden des ehemaligen Bundespräs­identen Joachim Gauck, der viel über die Freiheit gesprochen hat, annimmt. Wir wollen Akzente, die uns wichtig sind, im Programm wiederfind­en. Und was ist das beim Motto „Freiheit“in diesem Jahr?

Seidel: Uns war wichtig, dass man spüren kann, welcher Wert und Luxus Freiheit ist. Gerade wenn wir sehen, wie in unmittelba­rer Nähe die Freiheit immer mehr verloren geht, sollte man verinnerli­chen, welch ein Grundbedür­fnis und welch wichtiger Bestandtei­l eines gelungenen Lebens die Freiheit ist. Und zwar nicht intellektu­ell, sondern sinnlich durch Musik und Poesie.

Besteht nicht die Gefahr, dass man bei einer so großen Zahl an Veranstalt­ungen, die man unter ein Motto zusammenfa­sst, vieles darauf hinbiegt, dass es passt. Etwa wenn eine Haydn-Symphonie aufgeführt wird, weil sie dessen erste Symphonie als „freier“Komponist war, oder wenn die Forelle als MeFrau tapher für Freiheit gedeutet wird, um Schuberts Quintett zu spielen?

Seidel: Wir stutzen auch oft, wie etwas interpreti­ert wird, aber wir stellen dann fest, dass die Künstler über große historisch­e Expertise verfügen. Wer sich in die Musikgesch­ichte einliest, wird auf diese Deutung der Forelle stoßen. Und wer das romantisch­e Gefühl für Freiheit kennt wird sehen, dass sie gar nicht so weit hergeholt ist. Was Haydn betriftt, hat es durchaus eine Bedeutung, dass sich jemand in einer Zeit, in der Musiker immer vom Hof bezahlt wurden, entschließ­t, nicht in Lohn und Brot zu stehen und sich zu Lehr- und Wanderjahr­en in Italien aufmacht. Aber ich gebe Ihnen recht: Unser Motto ist sehr weit gefasst und klingt manchmal auch nur an, aber durch das Motto bekom-

men die Kunstnächt­e einen roten Faden und das Programm wird weniger beliebig. Und dem Abend tut es keinen Abbruch, wenn man sich auch einmal vom Pfad entfernt.

Wird es auch um die Freiheit der Kunst gehen, denn auch das ist ja ein spannendes Thema und in heutiger Zeit durchaus aktuell?

Seidel: Es gibt einen Anklang daran bei Matthias Klösels „Nipple Jesus“im Kunstverei­n. Da geht es darum, wie sich ein Museumswär­ter mit zeitgenöss­ischer Kunst auseinande­rsetzt und zu einer schockiere­nden Interpreta­tion kommt.

Eine Abschlussp­erformance, wie es sie in den vergangene­n Jahren immer auf dem Rathauspla­tz gab, ist heuer nicht im Programm.

Seidel: Wegen des Gottesdien­stes am Sonntag auf dem Rathauspla­tz war eine große Platzbespi­elung in diesem Jahr nicht möglich. Deshalb sind wir auf den Fronhof ausgewiche­n. Dort ist ein Stationent­heater mit einem Lichterlab­yrinth. Das geht über zweieinhal­b Stunden und bietet ein intimeres Theatererl­ebnis.

Gibt es schon Überlegung­en für das nächste Jahr?

Seidel: Ja, denn nächstes Jahr wird die Bewerbung für das Unesco-Weltkultur­erbe abgegeben und deshalb haben wir uns wieder für eine Lange Nacht des Wassers entschiede­n. Die gab es schon einmal, aber es war wirklich eine der schönsten Langen Nächte und auch die, die am besten bei den Besuchern angekommen ist.

Zwischen sechs- und zehntausen­d Besucher gab es in den vergangene­n Jahren. Manchmal war es da der Fall,

dass sich lange Schlangen vor den Locations bildeten und Besucher abgewiesen werden mussten. Wie gehen Sie mit dieser Unzufriede­nheit um?

Seidel: Das ist richtig. Deshalb ist es gut, wenn wir vom Besucheran­drang eine goldene Mitte haben – also viele Menschen da sind, wir aber nicht überrannt werden, wie es bei der Langen Nacht des Lichts der Fall war. Zehntausen­d Besucher sind die Grenze.

Ein anderes Thema ist ja immer die Koordinati­on, welche Aufführung­en man bei der Kunstnacht besucht. Da werden Tabellen geschriebe­n und mit Textmarker­n im Programmhe­ft Favoriten angestrich­en. Haben Sie einen Tipp, wie man möglichst viel sieht und trotzdem nicht in Stress gerät?

Seidel: Treiben lassen, ist mein Tipp. Sich auf keinen Fall unter Druck setzen lassen, weil so viel geboten ist. Die Devise „höher, schneller weiter“verstellt einem den Blick für den schönen Kunstgenus­s. O

Infos Die Lange Nacht der Freiheit be ginnt um 18 Uhr mit einem Konzert der Philharmon­iker im Goldenen Saal. Dieses ist ausverkauf­t, sollten Plätze frei blei ben, werden sie kurz vor Beginn verge ben. Tickets für die Veranstalt­ungen zwi schen 19 und 24 Uhr gibt es im Vorver kauf für 12 Euro in der Bürgerinfo am Rathauspla­tz, beim Theater, beim AZ Kar tenservice, im Thalia und den Museen. Abendkasse­n sind an den Veranstalt­ungs orten, diese Tickets kosten 14 Euro.

Elke Seidel

ist die Leiterin des Kulturamte­s und or ganisiert seit Jahren die Langen Kunstnächt­e in der Stadt

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Foto: Traberprod­uktion Freiheit in luftiger Höhe: Mit 50 Holzstange­n arbeitet sich Julian Bellini bei dem Pro jekt „Heinz baut“auf dem Elias Holl Platz in die Höhe.
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