Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Lausbub im Rentenalter
Porträt Wie kaum ein anderer lernte Schauspieler Hansi Kraus Fluch und Segen einer populären Rolle kennen. Und auch mit 65 kommt er von Ludwig Thoma nicht los
Als frecher Lausbub in den Ludwig-Thoma-Verfilmungen war Hansi Kraus einer der Teenie-Stars der 1960er und 1970er Jahre. Noch immer laufen die fünf Geschichten regelmäßig im Fernsehen. Nur der Münchner Schauspieler verdient nicht daran.
Kraus, der eigentlich ziemlich norddeutsch Krause heißt, tut sich heute schwer, neue Rollen zu bekommen. Denn alle sehen in seinem markanten Gesicht noch immer jenen Ludwig, der zur Betrübnis seiner Mutter Therese mit deftigen Streichen sein bayerisches Heimatdorf in Atem hielt.
Als solcher trieb Kraus hochnäsige Preußen wie den Geheimrat Bischof oder den frömmelnden Pfarrer und Religionslehrer Kindlein und seine Tante Frieda zur Verzweiflung. Verständnis fand er nur bei seinem Patenonkel, dem Landtagsabgeordneten Josef Filser. Ganz Deutschland lachte damals über die Filme, die dann in den „Lümmelgeschichten“eine Fortsetzung fanden.
Kraus’ Karriere indes stockte. Er selbst hat dafür seine eigene Erklärung: „Ich kann mich selbst halt nicht so gut verkaufen, ich hatte auch noch nie Selbstbewusstsein“, vermutete der Mime vor Jahren in einem Interview mit unserer Zeitung. Schon damals war es ruhig um ihn geworden.
Entsprechend mau sehen inzwischen offenbar die Finanzen des ehemaligen Kinderstars aus. Zwar hat der ewige Lausbub, der heute 65 wird, immer wieder kleinere Rollen in Serien wie „Forsthaus Falkenau“, „Um Himmels Willen“oder in der ZDF-Soap „Herzflimmern“ergattert. Aber für ein geregeltes Einkommen reichte es wohl nicht. Wenn der Schauspieler in Rente gehen würde, stünden ihm früheren Medienberichten zufolge lediglich „etwa 600 Euro im Monat“zu. Aber es gibt glücklicherweise seine Frau, eine offenbar erfolgreiche Homöopathin. Ansonsten macht Hansi Kraus einfach da weiter, wo er vor 40 Jahren aufgehört hat: Er versucht sich an den Stücken des legendären bayerischen Heimatdichters Ludwig Thoma. Auf seiner Homepage vermarket Kraus Lesungen. Auch am Theater, beispielsweise der Iberl Bühne in München, ist er immer wieder beschäftigt. In diesem Herbst ist er in Braunschweig engagiert: Mit welchem Stück? Logo, die „Lausbubengeschichten“! Kraus muss aber nicht mehr in die Rolle des Kindes schlüpfen, sondern darf den alten Ludwig Thoma spielen.
Hansi Kraus’ Haare sind etwas dünner und grauer geworden. Sonst scheint er kaum verändert. Nur die freche Unbekümmertheit aus den alten Filmen ist gewichen. In Kraus’ Gesicht spiegeln manche Falten auch Sorgen wider. Das heißt aber nicht, dass er verbittert ist. Er zieht seine Freude mehr aus der Familie als aus der Karriere – wenn er beispielsweise mit seiner Enkelin an der Isar radelt. Dann ist er glücklich. Auf Streitigkeiten hat er übrigens keine Lust und sagt, im echten Leben auf Happy Ends zu stehen: „Meine Frau behauptet, ich bin harmoniesüchtig.” Josef Karg