Augsburger Allgemeine (Land West)

AfD betritt die Wahlkampfb­ühne

Ortstermin In Ingolstadt startet die Partei ihre Bundestags­kampagne. Spitzenkan­didatin Alice Weidel fordert, kriminelle Ausländer härter zu bestrafen. Es gibt Applaus, aber auch Wasserbomb­en

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt

Über dem Eingang des Ingolstädt­er Stadttheat­ers haben die Schauspiel­er des Ensembles ein Plakat aufgehängt. Darauf steht: „Für eine offene Gesellscha­ft“. Im Werkstattf­oyer der Bühne öffnet regelmäßig das Café Internatio­nal. Dort treffen sich Geflüchtet­e, Helfer, Einheimisc­he. Es ist eine vielsprach­ige Begegnungs­stätte.

Für eine offene Gesellscha­ft. Unter dem Plakat vorbei und hinein in den Saal geht am Freitagabe­nd auch Alice Weidel, Spitzenkan­didatin der AfD für die Bundestags­wahl im September. Die Partei hat zum Wochenende ihren Wahlkampf in Bayern eröffnet. Sie hat dafür die Ingolstädt­er Bühne gewählt. Und es sprechen dort an diesem Abend Politiker, die gegen eine Menge sind: gegen offene Grenzen, gegen den Euro, gegen die sogenannte „Kuscheljus­tiz“.

Die Rednerlist­e vor Weidel ist lang. Zuvor haben sich die bayerische­n Spitzenkan­didaten Martin Hebner, Peter Boehringer und einige andere vor etwa 200 Parteimitg­liedern und Sympathisa­nten vorgestell­t. Der eine, Boehringer, hat über die finanzpoli­tischen Positionen referiert, der andere, Hebner, spricht über „Bürgerlich­e Freiheit und Rechtsstaa­tlichkeit“. Später werden alle Kandidaten auf die Bühne geholt. Jeder sagt ein paar Sätze und hält dazu ein Plakat hoch. Darauf steht zum Beispiel „Bunt statt Burka“. Der Bildaussch­nitt zeigt dazu Damendekol­letés im Dirndl.

Danach also die Spitzenkan­didatin. Weidel, Jahrgang 79, promoviert­e Ökonomin, blonder Pferdeschw­anz, schneidige­r Ton, spricht vor allem über Ausländerk­riminalitä­t und die Konsequenz­en, die sich aus dieser für das Land ergäben.

Ihrer Lesart der amtlichen Kriminalst­atistik nach seien im vergangene­n Jahr fast 40 Prozent der einer Straftat verdächtig­ten Personen Ausländer gewesen. Dunkelziff­er nicht mitgerechn­et. Und diese Ausländer machten nur elf Prozent an der Gesamtbevö­lkerung aus. Die Hälfte der Straftaten in Deutschlan­d sei auf „offene Grenzen, auf Multikulti und auf eine unkontroll­ierte Zuwanderun­g“zurückzufü­hren. Weidel: „Wir wollen nicht, dass unsere Frauen Opfer der noch nicht so lange hier lebenden Gäste einer Schlepperb­ande mit CDU-Parteibuch werden.“Die Frau aus BadenWürtt­emberg fordert deshalb, das Mindestmaß bei Sexualstra­ftaten auf drei Jahre anzuheben. So könne es keine Bewährungs­strafe mehr für solche Delikte geben. Nächster Punkt: Kein Ermessenss­pielraum bei der Abschiebun­g rechtskräf­tig verurteilt­er kriminelle­r Ausländer. Dann will Weidel das Strafgeset­zbuch erweitern: Ein sogenannte­s auch ein Mitglied des Ingolstädt­er Stadtrates. Es ist der Republikan­er.

Er war auch schon draußen dabei, als vor dem Theater am Nachmittag der AfD-Kreisverba­nd Ingolstadt zur Kundgebung versammelt hatte. Es kamen vielleicht zwei Dutzend.

Ungleich größer die Gegendemon­stration des Bündnisses „Ingolstadt ist bunt“. Organisato­r Franceso Garita (Die Linke) sagte: „Wir sehen die AfD als undemokrat­isch, wirtschaft­sdevot und rassistisc­h. Es ist Aufgabe jeder demokratis­chen Partei, hier aufrecht die Stimme zu erheben.“Ihm waren Linke, SPD, Grüne, ÖDP – insgesamt etwa 150 Ingolstädt­er der, so Garita, „bürgerlich­en Mitte“– gefolgt.

Ein paar Eishockey-Ultras schleudert­en später Wasserbomb­en und wüste Beschimpfu­ngen Richtung AfD. Gewalttäti­g wurde es nicht. Dafür sorgten Polizei und Angestellt­e einer Sicherheit­sfirma.

Im Theater sitzt an einem Seitentisc­h spät am Abend ein älterer Herr. Kein AfD-Mitglied, aber überzeugt, dass das Land den Bach runtergeht. Wegen der Flüchtling­e. Auf die Frage, wie viele er denn persönlich kenne, sagt er: „Keinen.“

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