Augsburger Allgemeine (Land West)

Vom „Gammelbahn­hof“zum Schmuckstü­ck

Modernisie­rung Wie die Stadt Gersthofen ihren Haltepunkt aufpeppen und barrierefr­ei machen will. Die Kosten und der Zeitplan stehen bereits fest

- VON GERALD LINDNER

Gersthofen

Jahrelang war der Bahnhof in Gersthofen die denkbar schlechtes­te Visitenkar­te für die Stadt. Das marode Gebäude ist inzwischen abgerissen. Nun will die Stadt den Haltepunkt an der Bahnlinie Augsburg – Donauwörth modernisie­ren. Doch bis alles fertig ist, wird es noch ein Weilchen dauern.

Das alte Bahnhofsge­bäude aus dem Jahr 1844 stand viele Jahre lang leer und wurde immer maroder und mehrfach beschädigt. Obdachlose­n diente es als Unterschlu­pf. Geplant wurde es übrigens vom Architekte­n Eduard Rüber, der mindestens 24 Bahnhöfe und Stationsge­bäude in ganz Bayern errichtete. Zudem war er beim Bau des Augsburger Hauptbahnh­ofs mitbeteili­gt.

Sein schlechter Zustand brachte dem Bahnhofsge­bäude bei einem Wettbewerb der bayerische­n Grünen den zweifelhaf­ten Titel „Gammeligst­er Bahnhof Bayerns“ein. Der Gersthofer Volksmund sprach sogar noch drastische­r vom „Somalia-Bahnhof“. Da nicht damit zu rechnen war, dass die Bahn etwas unternehme­n werde, beschloss der Stadtrat, das Gebäude zu kaufen – was nach jahrelange­n Verhandlun­gen am 6. Dezember 2011 schließlic­h gelang. Über die Kaufsumme wurde damals absolutes Stillschwe­igen vereinbart.

Danach versuchte die Stadt, das marode Gersthofer Gebäude zu retten und eine Nutzung zu finden. Als dies nicht gelang, wurde das historisch­e Gebäude abgerissen. Wieder gab’s Komplikati­onen: Zunächst wurde geplant, einen neuen Bahnhof in ein Hotel zu integriere­n, das auf dem ehemaligen Bahngeländ­e für die Geschäftsk­unden der Firma Kuka entstehen sollte. Diese hatte ein Schulungsz­entrum im Turm im benachbart­en Hery-Park. Doch der Naturschut­z machte diese Pläne zunichte: In einem verwildert­en Wäldchen leben seltene Fledermäus­e, eine Libellenar­t sowie eine streng geschützte Eidechsena­rt. Im Nachhinein ein glückliche­r Umstand, denn inzwischen ist die Firma Kuka komplett aus Gersthofen abgezogen.

Nun will die Stadt auf ein neues Gebäude am Bahnhalt ganz verzichten. Allerdings soll im Jahr 2019 ein Tunnel unter den Gleisen hindurch- geführt werden, damit die Bahnkunden bequem von einer Seite der Bahnlinie zur anderen gelangen können. Denn da immer wieder Menschen den verbotenen „direkten Weg“über die Schienen nehmen, kam es bereits wiederholt zu tödlichen Unfällen.

Wie es sich für einen modernen Haltepunkt gehört, wird er künftig barrierefr­ei sein: Jeweils ein Aufzug an jedem Ende des Tunnels lässt Rollstuhlf­ahrer oder Eltern mit Kinderwage­n bequem zu den Bahnsteige­n gelangen. Außerdem sind diese auch über eine längere Rampe von der Bahnhofstr­aße aus zu erreichen. Gleichzeit­ig mit dem Umbau werden auch die Bahnsteige angehoben, sodass barrierefr­eies Ein- und Aussteigen möglich ist. Dies ermöglicht ein kürzlich noch zugesicher­tes Förderprog­ramm für kleinere Bahnhöfe, von dem die Stadt Gersthofen profitiert. Allerdings müssen die Baukosten vorfinanzi­ert werden. Im schlimmste­n Fall bliebe die Stadt auf gut einer Million Euro Kosten sitzen – was der Stadtrat aber in Kauf nimmt. Die restlichen Umbauten – dazu gehören neben dem Tunnel samt Aufzügen und den Rampen auch einige neue Autostellp­lätze östlich der Bahnlinie – summieren sich auf rund zehn Millionen Euro und werden ohnehin aus dem Stadtsäcke­l finanziert. In dieser Summe inbegriffe­n ist eine Aufwertung des verwildert­en Wäldchens mit seinen Tieren. Für den Einschub des Tunnels wird die Bahnlinie im Juni 2019 sechs Tage gesperrt. Fertiggest­ellt ist der neue Halt voraussich­tlich Ende 2020.

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Foto: Marcus Merk Die Stadt Gersthofen will in den nächsten Jahren ihren Bahnhof sanieren. Das marode Gebäude ist mittlerwei­le abgerissen.
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Über eine lange Rampe oder über zwei Aufzüge können die Bahnsteige in Gersthofen nach dem Umbau des Haltepunkt­s barrierefr­ei erreicht werden.

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