Augsburger Allgemeine (Land West)
Einmal so fahren wie Eddie Merckx
Sammler Retro-Radsportfreunde finden bei Wolfgang Egger das, was die Tour de France oder den Giro d’Italia legendär machte. Warum auch ein Kleber eine wichtige Rolle spielt und Altes neu erschaffen wird / Serie (12)
Bobingen
Liebevoll, fast zärtlich, hebt Wolfgang Egger in Bobingen ein Rennrad aus dem Ständer. „Dies ist aus der italienischen Edelschmiede von Sante Pogliaghi“, sagt er mit Ehrfurcht in der Stimme. Auch der bekannte Radrennprofi Eddy Merckx habe einen solchen Rahmen gefahren, weiß er. Egger ist Fahrradsammler und Restaurator aus Leidenschaft und verkörpert wie kaum ein anderer in der Region den Liebhaber alter Rennräder. Die Sammlerszene dieser Sportgeräte habe in Deutschland mehrere tausend Freunde, die zu den Fahrrädern der Massen keinen Bezug haben.
„Mit Mountainbikes oder Tourenrädern können die Freunde der alten Rennmaschinen nicht besonders viel anfangen. E-Bikes gehen gar nicht“, sagt Egger. In seiner Sammlung stehen zahlreiche Räder, deren Bauart und Ausstattung entsprechend von Rennsportgrößen wie Bernard Hinault oder Miguel Induráin über die Pisten klassischer Straßenrennen getrieben wurden. Das Sammeln und Fahren dieser Räder, die in den 70ern und 80ern des letzten Jahrhunderts zu den besten Sportgeräten gehörten, ist nach Eggers Ansicht reine Liebhaberei. „Wie andere Menschen alte Autos sammeln und mit ihnen bei schönem Wetter Ausfahrten unternehmen, haben wir die Räder.“
In seinem Geschäft „SteeldreamBikes“reisen zu den Öffnungszeiten an Freitagen und Samstagen häufig Kunden und Gäste an, um über Kettentypen, Schaltgruppen oder Lenkerformen zu diskutieren. „Wer ein solch altes Rad besitzt, möchte dies natürlich auch mit Zubehörteilen im entsprechenden Stil versehen“, berichtet Egger und weist auf Sättel, die vom Aussehen von den Originalen nicht zu unterscheiden sind. „Spezielle Firmen produzieren Ersatzteile nach alten Vorlagen sogar mit den früher benutzten Materialen“, ergänzt er und holt einen Sattel mit auswechselbarem Lederbezug aus dem Regal. Standardreifen sucht man bei Egger vergebens.
Die Rennräder sind hauptsächlich mit Schlauchreifen versehen. Dabei bilden Schläuche und Mäntel eine Einheit. „Diese Bereifung wird nicht wie bei normalen Rädern eingezogen, sondern auf der Felge verklebt“, beschreibt er diese technische Eigenart. Aber nicht nur technische Meisterstücke aus alter Radrennsportzeit hat Egger zu bieten. „Die Trikots sind aus reiner Merinowolle. Es gibt meiner Ansicht nach nichts Vergleichbares“, schwärmt er und weist auf bunte Kleidungsstücke, die ganz im Stil und in den Farben der berühmten Rennsportställe sowie derer Idole neu gefertigt wurden. Mit den Eigenschaften dieser Wolle seien die Funktionsbekleidungen heutiger Zeit kaum vergleichbar. „Die Trikots wärmen und kühlen zugleich. Nicht ohne Grund sind sie seit den 1940ern so beliebt“.
Es sei schon ein exklusives Hobby, sagt er, doch sei es nicht unbezahlbar. Ein restauriertes RetroRennrad liege im Preissegment eines guten E-Bikes, rechnet er vor. Sein großer Traum ist es, einmal an der „L’Eroica“in der Toscana teilzunehmen. Bei dieser Radrundfahrt für historische Rennräder kommen ausschließlich Geräte mit Stahlrahmen und Anbauteilen vergangener Epochen zum Einsatz. „Schön wäre es, wenn wir auch hier bei uns ein solches Ereignis hätten“, seufzt Egger. Und er stellt sein Pogliaghi wieder vorsichtig in den Ständer.