Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum ein Kürschner mit der Zeit gehen muss

Handwerk Hans-Peter Gerner glaubt, dass Pelze auch in Zukunft noch getragen werden / Serie (Ende)

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Noch heute streicht Hans-Peter Gerner beinahe andächtig über die Felle und Pelze, die in seiner Boutique aushängen. Es ist das Material, das ihn sein ganzes Leben über begleitet. Schon der Vater war Kürschner, seine Mutter Pelznäheri­n. Seit 1986 ist Gerner selbst Kürschner-Meister und hat in Kriegshabe­r „in einem geistigen Wahnsinn, aber mit dem Selbstbewu­sstsein, es zu schaffen“, seinen eigenen Laden eröffnet. Und tatsächlic­h, das Geschäft besteht noch immer, was keine Selbstvers­tändlichke­it ist. Nur noch drei weitere Kürschner arbeiten in Augsburg: Sabine Burkhardt beim Obstmarkt, Conrad Glock am Schmiedber­g und Walter Wölfle in Lechhausen.

Die Gründe dafür, dass so viele Pelzgeschä­fte in den letzten Jahren schließen mussten, sind laut Gerner vielfältig. Zum einen seien einige schlicht nicht mit der Zeit gegangen, haben nicht verstanden, dass Pelzmode auch Alltagsmod­e sein kann. Er holt aus dem Ausstellun­gsraum Einzelstüc­ke. Die Preisspann­e der Stücke bewegt sich zwischen 1000 und 10000 Euro. Pelzmode, so will Gerner zeigen, muss nichts mit dem Damenmante­l für den Opernbesuc­h zu tun haben.

Als die Tierschütz­er in den 90er Jahren dann gegen Pelze mobil gemacht haben, trauten sich nicht mehr viele mit einem Nerzmantel auf die Straße. Die Nachfrage brach ein. Dabei kann Gerner die Kritiker sogar verstehen. „Eine konstrukti­ve Kritik bringt jede Branche weiter. Für mich ist ganz klar, dass nichts gegen das Tierwohl gemacht werden darf.“Seine Felle würden alle aus kontrollie­rten Züchtungen oder aus der Jagd stammen.

Durch den Image-Schaden, den die Pelzmode erfahren hat und von dem sich die Branche nur langsam erholt, bleibt auch der Nachwuchs aus. In ganz Deutschlan­d lassen sich gerade einmal zehn Lehrlinge zum Kürschner ausbilden. „Die meisten haben ein Modestudiu­m hinter sich und wollen das Thema Pelz vertiefen.“Außerdem hat sich die Ausbildung geändert. Der Kürschner übernimmt auch die Arbeit des Pelznähers, muss dafür aber nur noch mit der Eigenart von etwa 30 anstatt wie früher von gut 100 Fellarten umgehen können. Gerner hatte Glück. Seine Tochter Natalie arbeitet auch als Kürschneri­n. Einige Kunden verlangen extra ihre Beratung. „Man lernt, dass man nicht mehr die erste Geige spielt“, sagt Gerner und lacht. Vielleicht übernimmt sie irgendwann den Laden.

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Foto: Michael Hochgemuth Kürschnerm­eister Hans Peter Gerner arbeitet in seinem Atelier im Stadtteil Kriegs haber.

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